Die kanadische Instrumental-Prog-Metal-Band PHAETON präsentiert mit „Neurogenesis“ ihr drittes Studioalbum – und zugleich die konsequente Weiterentwicklung ihres bereits auf den ersten beiden Alben etablierten Sounds. Die Band selbst verspricht „ein zerebrales und viszerales Erlebnis, das definiert, was Instrumental Metal sein kann“. Tatsächlich vereint das Album Elemente aus Jazz-Fusion, Djent, Progressive Rock und Metal zu einer beeindruckenden Mischung.
Komplexe Harmonien und technisches Spiel
Wie erwartet, zeigt sich bereits in den ersten Takten die Komplexität von PHAETONs Musik. „Tethys Rising“ kombiniert vielschichtige Leadgitarren mit einem stabilen rhythmischen Fundament aus Bass und Drums. Was sofort auffällt, ist die Klangfülle, die die Band mit Präzision und Gefühl miteinander verknüpft. Zwischen weichen, beinahe ambienten Jazz-Passagen und wuchtigen Metal-Riffs entsteht eine beeindruckende Dynamik, die ebenso durchdacht wie mitreißend wirkt.
PHAETON stammen aus Kimberley, British Columbia, und bestehen aus vier erfahrenen Musikern: Kevin Thiessen (Gitarre, Keyboards – ex-Azsension, ex-Datura), Daniel Airth (Gitarre – ex-Chaos Logic), Ferdy Belland (Bass – ex-Bif Naked) und Colin Righton (Schlagzeug – ex-Chaos Machine). Alle vier sind versierte Instrumentalisten – und dieses Können prägt das gesamte Album.
Nach dem melodischen Auftakt präsentiert „Discontinuum“ eine dissonantere, tief gestimmte und insgesamt langsamere Komposition. Doch auch ohne extreme Geschwindigkeit bleibt die Musik höchst anspruchsvoll und technisch präzise. Besonders das Schlagzeug überzeugt mit unkonventionellem Spiel, das perfekt mit den fließenden Gitarrenpassagen harmoniert. Die tiefen Rhythmusgitarren stehen im Kontrast zu den filigranen Leadlinien, die sich teils akustisch, teils progressiv entfalten – die Musik wächst in einer kreisförmigen, stetig sich entwickelnden Bewegung.
Ein anderer Klangkosmos eröffnet sich mit „Isochron“, auf dem Derek Sherinian (ex-Planet X, Black Country Communion, Sons of Apollo, Whom Gods Destroy) als Gastmusiker mitwirkt. Seine komplexen Keyboard-Arpeggien fügen sich nahtlos in den PHAETON-Sound ein und erweitern ihn um zusätzliche Tiefe. Hier klingen die Gitarren etwas metallischer, während die Gesamtatmosphäre stark in Richtung Jazz tendiert – eine Art „Heavy Jazz“ mit progressiven Strukturen und perfekt abgestimmten Harmonien.
Beeindruckende Ausführung und ein reichhaltiges Klangbild
Mit „Synesthesia“ erreicht das Album einen seiner Höhepunkte. Schwere Riffs, schnelle Drums und eine klare Melodielinie, die von der Leadgitarre getragen wird, schaffen eine dichte und kraftvolle Atmosphäre. Hier steht der „metallische“ Aspekt der Band im Vordergrund, ohne dass die vielschichtige Komplexität verloren geht. Die Kombination aus Melodik, Präzision und Energie macht den Song zu einem Paradebeispiel für PHAETONs Vielseitigkeit.
Die Produktion ist hervorragend – glasklar und detailreich. Jede Note, und davon gibt es viele, ist deutlich hörbar und präzise abgemischt. Ein etwas präsenterer Bass hätte dem Gesamtklang jedoch zusätzliche Tiefe gegeben, da er hier überwiegend rhythmische Aufgaben übernimmt. Das klangliche Rückgrat bilden ganz eindeutig die beiden Gitarren, deren Interaktion – von verzerrten Riffs bis hin zu filigranen Arpeggien – das Markenzeichen des Bandsounds ist.
Das dissonante Intro von „Arachnid“ mündet rasch in melodischere Gefilde. Der Bass tritt stärker hervor, die Gitarren bleiben tief gestimmt, und das Ergebnis ist ein massiver, leicht aggressiver Klang. Die melodischen Solos kontrastieren mit den druckvollen Riffs und schaffen eine harmonische Balance zwischen Härte und Eleganz.
Mit „Augmented“ wird der Sound direkter, dichter und etwas einfacher strukturiert. Die Gitarren klingen weniger ätherisch, dafür präsenter und erdiger. Das ergibt ein packendes, klar konturiertes Klangbild, das den aggressiveren Charakter des Albums fortführt, ohne die stilistische Einheit zu brechen. Der abschließende Titeltrack „Neurogenesis“greift dieses Gleichgewicht zwischen Energie und Atmosphäre nochmals auf: technische Raffinesse, Wechsel zwischen zarten Melodien und kraftvollen Riffs – ein beeindruckender Abschluss und ein weiteres Highlight.
Ein Klang, der sich von sanft zu schwer entwickelt und dabei immer geschlossen bleibt
Der Sound von „Neurogenesis“ bewegt sich irgendwo zwischen Al Di Meola und Alex Skolnick, Devin Townsend und Rush, gewürzt mit einer Prise King Crimson. Eine Musik, die stärker im Jazz wurzelt als im Metal, aber gleichzeitig den technischen Anspruch beider Welten vereint. Stilistisch schwer zu fassen, aber musikalisch faszinierend.
Nach einem eher sanften Beginn gewinnt das Album im Verlauf zunehmend an Schwere und Energie. Trotz der stilistischen Vielfalt bleibt der Gesamteindruck geschlossen – ein musikalischer Spannungsbogen, der gleichermaßen kraftvoll wie feinfühlig ist. „Neurogenesis“ ist ein Werk, das Virtuosität, Atmosphäre und Emotion in außergewöhnlicher Balance vereint.
Fazit: „Neurogenesis“ zeigt PHAETON als Klangforscher mit eigenständigem, faszinierendem und vielschichtigem Sound
Tracklist
01. Tethys Rising
02. Discontinuum
03. Isochron ft. Derek Sherinian
04. Synethesia
05. Arachnid
06. Augmented
07. Neurogenesis
Besetzung
Colin Righton – Drums, Percussion
Daniel Airth – Lead, Rhythm Guitars
Kevin Thiessen – Lead, Rhythm Guitars, Keyboards
Ferdy Belland – Electric Bass