Wenn eine Band wie DEAD BEES IN BOURBON ein neues Album veröffentlicht, ist das selten ein lauter Knall. Eher ein flirrender Schatten, der sich langsam über die Ohren legt. »Crystals«, so heißt die jüngste Platte des Quartetts aus Deutschland, und schon der Titel klingt nach annähernd Zerbrechlichem, etwas, das schillert, wenn Licht darauf fällt – im Kontrast hierzu splittern kann. Nach Jahren zwischen Post-Punk-Kälte, Synthpop-Melancholie und Indie-Rock-Anflügen liefern DEAD BEES IN BOURBON ein Werk, das beides wagt: das Glatte und das Brüchige.
Die Band, bestehend aus Yen Anetzberger (Gesang), Arndt Bander (Gitarre), Ingo Hannen (Bass & Keyboard) und Ben Overmann (Schlagzeug), zeigen auf »Crystals« ein gutes Gespür für Spannungen. Da ist diese typische Mischung aus Understatement und Pathos, aus Tanzfläche und Dunkelkammer, die irgendwo zwischen den frühen THE CURE, CHVRCHES und EDITORS schwebt – nie komplett Pop, ausgeschlossen ganz Punk, immer in Bewegung.
Pochendes, leises Herz unter einer Schicht Synth-Nebel
»Quiet Pulse« eröffnet das Album und klingt genauso, wie der Name vermuten lässt: ein pochendes, leises Herz unter einer Schicht Synth-Nebel. Anetzbergers Stimme zieht sich durch das Stück wie ein Lichtstrahl im Dunst, kühl, kontrolliert, allerdings nicht ohne Verletzlichkeit. Schon hier wird klar, dass DEAD BEES IN BOURBON weniger auf große Refrains setzen als auf Atmosphäre. Die Bassläufe von Hannen treiben, ohne zu drängen, während Overmanns Drums im Hintergrund wie entferntes Donnergrollen wirken.
Mit »Weight Of You« folgt ein Song, der das Gewicht der eigenen Melancholie zu tragen scheint. Der Refrain schimmert in Moll, die Gitarre kratzt an den Kanten der Synthflächen. Hier gelingt der Band ihr stärkster Moment – elegant, reduziert, dabei emotional treffsicher. „It’s the weight of you I carry through the silence“, singt Anetzberger, und man glaubt ihr jedes Wort.
»Pleasures« und »Rooftops Of Zion« führen die Hörer(innen) weiter in diese kühle Zwischenwelt, in der sich Hoffnung und Müdigkeit begegnen. Während ersterer annähernd tänzerisch wirkt – ein Hauch von New Order liegt in der Luft –, öffnet sich »Rooftops Of Zion« in weit flirrenden Gitarrenflächen, als würde man in einer verregneten Stadt auf einem Dach stehen und in die Nacht hinaushören.
Industrial-Rand des Post-Punk
»Song From The Abyss« markiert die düstere Mitte des Albums: ein Song, der an den Industrial-Rand des Post-Punk heranreicht, getragen von einem hypnotischen Bass und einer approximativ sakralen Synthlinie. Hier lassen DEAD BEES IN BOURBON ihre kontrollierte Eleganz kurz fallen und geben sich der Dramatik hin – ein Moment, der hängen bleibt.
Ab der zweiten Hälfte – mit Tracks wie »On Your Own«, »Awakening« und »Distant Call« – spürt man eine gewisse Routine. Die Songs fließen ineinander, ohne sich gegenseitig stark zu unterscheiden. Alles ist schön produziert, alles klingt rund, manchmal fehlt der Mut zum Bruch. »Crystals« bleibt in seiner ästhetischen Komfortzone – makellos, aber auch ein wenig zu sicher.
Dann jedoch kommt »Open Skies« und bricht kurz die Wolken auf. Ein helles, beinahe optimistisches Stück, das seine Energie aus rhythmischer Offenheit zieht. Hier darf überdies einmal Licht hineinfallen. Das anschließende »Fire« versucht, diesen Impuls zu halten, zündet im Kontrast hierzu nur halb. Dafür sorgt das finale »In The Silence Of The Night« für ein stimmiges Ende: ein leiser Abgesang, getragen von einem minimalistischen Piano und einer Stimme, die sich fast in sich selbst verliert. Ein Abschiedslied, das mehr flüstert, als spricht – und genau damit wirkt.
Balance aus analoger Wärme und digitaler Klarheit
Produktionstechnisch überzeugt »Crystals« durch seine Balance aus analoger Wärme und digitaler Klarheit. Nichts wirkt überladen, alles ist präzise gesetzt. Doch diese Präzision ist zugleich Fluch und Segen: Wo früher kleine Ecken und Unsauberkeiten den Charme ausmachten, herrscht hier Perfektion – und damit eine gewisse emotionale Distanz. DEAD BEES IN BOURBON klingen auf »Crystals« reifer, hingegen kontrollierter.
Die Texte bewegen sich zwischen Introspektion und Andeutung, gelegentlich plakativ, oft poetisch verschlüsselt. Es geht um Verlust, Selbstsuche, das Ringen mit Stille. Themen, die nicht neu sind, im Gegensatz hierzu in ihrer Zurückhaltung authentisch wirken. Yen Anetzberger trägt sie mit der Ruhe einer Erzählerin, die weiß, dass das Drama in den Zwischentönen liegt.
Schönes, indessen nicht überwältigendes Album
Am Ende bleibt »Crystals« ein schönes, indessen nicht überwältigendes Album. Eines, dass man gerne hört, vielleicht sogar öfter – gleichwohl das sich uneingeschränkt langsam festsetzt. DEAD BEES IN BOURBON bewegen sich weiter auf ihrer eleganten Gratwanderung zwischen Pop und Post-Punk, zwischen Synth und Seele. Und scheinbar liegt buchstäblich dort ihre Stärke: in der Kunst, zu schweben, ohne zu fallen.
Fazit: »Crystals« von DEAD BEES IN BOURBON ist ein ansprechendes Album, das durch seine Vielseitigkeit und atmosphärische Tiefe punktet.
Tracklist
01. Quiet Pulse
02. Weight Of You
03. Pleasures
04. Rooftops Of Zion
05. Song From The Abyss
06. On Your Own
07. Awakening
08. Distant Call
09. Open Skies
10. Fire
11. In The Silence Of The Night
Besetzung
Ingo Hannen – Bass
Yen Anetzberger – Vocals
Arndt Bander – Guitar
Ingo Hannen – Keyboard
Ben Overmann – Drums

