In der heutigen Landschaft des Death-Doom-Metal sind es oft die stillen, langsamen Momente, die den größten Eindruck hinterlassen. NORILSK, eine kanadische Formation, beweist mit ihrem dritten Album »Gigantes Mortui«, dass sie genau diesen Nerv treffen. Das Quartett, bestehend aus Nic Miquelon am Gesang und Bass, Nick Richer am Schlagzeug und Background-Gesang, Tom Hansen an der Gitarre und Matt MacIvor ebenfalls an der Gitarre, liefert ein Werk ab, das sowohl melancholisch als auch monumentale Wucht besitzt.
Wälzende Gitarren und schwere Atmosphäre
Schon der Opener »Beyond the Horizon« setzt den Ton. Die Gitarren wälzen sich in dichten, schleppenden Riffs, die das Gefühl vermitteln, als würde man durch eine endlose, nebelverhangene Landschaft wandern. Miquelons Bass trägt nicht nur die rhythmische Basis, sondern fügt der ohnehin schon schweren Atmosphäre eine zusätzliche, beinahe greifbare Schwere hinzu. Richers Schlagzeugspiel ist zurückhaltend, im Gegensatz hierzu präzise, jeder Schlag fühlt sich notwendig an, nichts ist überflüssig. Die Kombination aus doomiger Langsamkeit und gelegentlichen, fast progressiven Akzenten sorgt dafür, dass die Musik trotz der Schwere auf keinen Fall stagnierend wirkt.
Mit »Potsdam Glo« taucht NORILSK noch tiefer in die Welt der introspektiven Finsternis ein. Das Stück zeigt, wie geschickt die Band Tempo und Dynamik steuern kann: lange, schwerfällige Passagen wechseln sich mit abrupten Crescendi ab, die den Hörer aus der Lethargie reißen. Die Gitarrenarbeit von Hansen und MacIvor beeindruckt durch ihre Tiefe, jeder Akkord scheint sorgfältig platziert, um maximale emotionale Wirkung zu erzielen. Die Stimme Miquelons bleibt rau und eindringlich, aber keinesfalls monoton. Sie trägt die melancholische Botschaft des Albums, ohne ins Klischeehafte abzudriften.
Poetische Traurigkeit
»Ghosts of Loss« ist vielleicht der Höhepunkt des Albums, ein Stück, das die Essenz von NORILSK perfekt einfängt. Hier trifft die Schwere des Death-Doom auf eine geradezu poetische Traurigkeit. Das Stück lebt von der Kombination aus minimalistischer Instrumentierung und atmosphärischen Einschüben, die den Hörer tief in die Musik hineinziehen. Man spürt die Kälte, die Isolation und gleichzeitig eine seltsame Schönheit in der Dunkelheit. Es ist Musik, die man nicht uneingeschränkt hört, sondern erlebt.
Mit »Le puits de l’oubli« zeigen NORILSK, dass sie außerdem französische Titel mühelos in ihre düstere Klangwelt integrieren können. Das Stück ist ein langsamer, annähernd hymnischer Marsch durch Schatten und Erinnerungen. Die Gitarren verweben sich zu einem dichten Teppich aus Klangfarben, der von Richers Schlagzeug subtil in Bewegung gehalten wird. Miquelons Gesang wirkt wie ein Gespenst, das durch die Melodien schwebt und eine angenähert greifbare Traurigkeit transportiert. Man merkt, dass hier jedes Detail bewusst gesetzt wurde, jedes Crescendo sorgfältig geplant ist.
Dynamische Struktur
»Le puits de l’oubli« und »La liberté aux ailes brisées« vertiefen diesen Eindruck. Besonders das zweite Stück glänzt durch seine dynamische Struktur: Momente der Stille wechseln sich mit gewaltigen, sich auftürmenden Riffs ab. Man spürt die Erfahrung der Musiker, die selbst in extremen Geschwindigkeiten eine klare Dramaturgie behalten. Der französische Titel wirkt nicht zufällig gewählt – die Texte verstärken das Gefühl von Isolation und existenzieller Schwere.
Das abschließende »No Sacred Ground« rundet das Album würdig ab. Es bündelt die bisherigen Elemente: epische Gitarren, drückendes Schlagzeug, tiefe Vocals und eine Atmosphäre, die sowohl bedrückend sowie kathartisch wirkt. Gerade das letzte Stück zeigt, dass NORILSK kein reines Kopfnicken-Metal-Album abliefert, sondern Werke schafft, die man emotional erfassen muss.
Produktionstechnisch ist »Gigantes Mortui« ebenfalls bemerkenswert. Die Instrumente sind klar differenziert, ohne dass die rohe Energie verloren geht. Man hört jede Nuance der Gitarrenarbeit, jede Nuance im Schlagzeugspiel, und doch wirkt das Gesamtbild nie steril. Die Mischung aus Klarheit und Schwere ist perfekt austariert, sodass das Album trotz seines langsamen Tempos niemals langweilig wird.
Mit »Gigantes Mortui« haben NORILSK ein Werk geschaffen, das sowohl Fans des klassischen Death-Doom als desgleichen Hörer, die sich für atmosphärisch dichte Musik interessieren, anspricht. Es ist ein Album, das Geduld belohnt, das sich nicht anbiedert und dessen Tiefe erst nach wiederholtem Hören vollständig greifbar wird. Die Band zeigt ein beeindruckendes Gespür für Dramaturgie und Klangfarbe, ohne auf Effekthascherei zurückzugreifen.
Death-Doom-Metal der berührt
Insgesamt verdient »Gigantes Mortui« eine Bewertung von 4,5 von 5. NORILSK gelingt es, mit jedem Track eine eigene Geschichte zu erzählen, dabei im Kontrast hierzu das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Das Album bleibt lange nach dem letzten Ton im Gedächtnis haften und beweist, dass Death-Doom-Metal weit mehr sein kann als bloß schwere Riffs und düstere Stimmen. Es kann Kunst sein, die emotional berührt, die melancholisch und erhaben zugleich ist. NORILSK haben damit ein Statement gesetzt: Monumental, ernsthaft und zutiefst bewegend.
Fazit: »Gigantes Mortui« von NORILSK ist eine Platte, die im Death-Doom-Bereich ihresgleichen sucht, ohne sich in Glorifizierungen zu verlieren.
Tracklist
01. Beyond the Horizon
02. Potsdam Glo
03. Ghosts of Loss
04. Le puits de l’oubli
05. La liberté aux ailes brisées
06. No Sacred Ground
Besetzung
Nic Miquelon – Vocals and bass
Nick Richer – Drums and backing vocals
Tom Hansen – Guitars
Matt MacIvor – Guitars

