ELECTRIC BOYS melden sich nach Jahren der relativen Stille mit »Shady Side Of Town« zurück. Das neue Werk der schwedischen Classic-Rock-Band vermittelt sofort, dass sie ihre vertraute Mischung aus Funk, Hard-Rock und bluesigen Untertönen nicht verloren hat. Gleichzeitig zeigt es kleine Brüche, Momente, in denen die Band experimentierfreudig die eigenen Grenzen auslotet.
Die Band, bestehend aus Conny Bloom am Gesang und an der Gitarre, Andy Christell am Bass und mit Backgroundgesang, „Slim“ Martin an der Gitarre und im Backgroundgesang. Letzterer übernimmt den Leadgesang auf »Keep It Dark«. Jolle Atlagic am Schlagzeug, präsentiert hier ein kompakt gehaltenes Album. Die Wahl der Songs wirkt bewusst straff, als wolle die Band ein konzentriertes Statement abgeben, ohne sich in langen Soli oder unnötigen Zwischenparts zu verlieren.
Zwischen melodischer Eingängigkeit und rauer Energie
»Head Honcho« eröffnet das Album kraftvoll. Conny Blooms markante Stimme trägt die Energie des Songs, unterstützt von einem druckvollen Schlagzeugspiel und funkigen Basslinien. Bereits der Einstieg vermittelt das Gefühl, dass ELECTRIC BOYS genau wissen, was sie tun: Gitarrenriffs, die zwischen melodischer Eingängigkeit und rauer Energie pendeln, treffen auf tight arrangierte Rhythmussektionen. Besonders der Bass von Christell verleiht dem Stück eine Tiefe, die über das bloße Fundament hinausgeht.
»Grand Explosivos« zeigt eine andere Facette der Band. Hier dominieren groove-orientierte Passagen, in denen die Gitarren verspielt zwischen Blues und Funk changieren. Der Track wirkt lebendig, fast leichtfüßig, ohne die rockige Basis zu verlieren. Man spürt, dass die Band Spaß an der Musik hat, ohne in Selbstbeweihräucherung zu verfallen. Die Produktion ist sauber, lässt jedem Instrument Raum, gleichzeitig entsteht eine dichte Klanglandschaft. Die Spannung zwischen Virtuosität und Eingängigkeit macht den Reiz des Songs aus.
Mit »Looking For Vajayay« verschiebt sich der Ton in einen leicht provokanten, humorvollen Bereich. Der Song lebt von seinem rhythmischen Drive und Blooms unverwechselbarer Stimme, die spielerisch durch den Track führt. Die Gitarrenarbeit bleibt markant, setzt Akzente, ohne sich in ausufernden Soli zu verlieren. Es ist ein Stück, das sofort hängenbleibt, gerade weil die Band klare Strukturen bevorzugt und trotzdem Raum für kleine spontane Momente lässt. Solche Passagen zeigen, dass ELECTRIC BOYS das klassische Rockrezept kennen, überdies nicht starr danach spielen.
Den Abschluss bildet »Keep It Dark«, auf dem „Slim“ Martin den Leadgesang übernimmt. Das bringt einen frischen Klang ins Album und sorgt für eine willkommene Abwechslung. Der Song ist leicht düsterer, kantiger als die vorherigen Stücke, und zeigt die Band von einer introspektiveren Seite. Die Kombination aus Martins rauer Stimme und den typischen ELECTRIC-BOYS-Riffs schafft eine melancholische, aber freilich kraftvolle Atmosphäre. In der Gesamtabfolge wirkt dieser Track wie ein ruhiger Gegenpol zu den energiegeladenen Songs zuvor und sorgt für ein ausgewogenes Ende.
Soundtechnisch bewegt sich »Shady Side Of Town« im klassischen Rock-Spektrum, ohne altbacken zu wirken. Die Gitarren sind präsent, ohne die anderen Instrumente zu überdecken. Bass und Schlagzeug harmonieren eng, die Vocals stehen klar im Vordergrund, was der Wirkung der Songs zugutekommt. Manchmal könnten die Stücke etwas ausgefeiltere Übergänge oder zusätzliche Variationen vertragen, im Gegensatz hierzu, die direkte, unverblümte Herangehensweise hat ihren Reiz.
Kein Meilenstein demgegenüber ein ordentliches Werk
Bewertungstechnisch verdient das Album solide 3,5 von 5 Punkten. Es ist kein Meilenstein im Classic-Rock, dagegen ein ordentliches Werk, das Fans der Band zufriedenstellen wird. Die Stärken liegen klar in der tight arrangierten Instrumentierung und der versierten Gesangsleistung, Schwächen finden sich in der Kürze der Tracklist und gelegentlich vorhersehbaren Songstrukturen. Wer auf handwerklich sauberen Rock steht, wird dennoch unterhalten.
»Shady Side Of Town« zeigt ELECTRIC BOYS als Band, die ihre Identität nicht verleugnet, gleichwohl kleine Experimente zulässt. Es ist ein Album, das den Kern ihrer Musik vermittelt, ohne unnötig kompliziert zu werden, und gleichzeitig beweist, dass sie immer noch in der Lage sind, ihre Hörer zu fesseln. Ob im Auto, auf der heimischen Anlage oder live – die Songs entfalten ihre Wirkung in allen Kontexten, die sich klassischem Rock verpflichtet fühlen.
Energie der Band unverfälscht spürbar
Die Produktion verzichtet auf übertriebene Effekte und setzt auf Direktheit. Das sorgt dafür, dass die Energie der Band unverfälscht spürbar bleibt. Es ist ein Album, das man nicht überhören kann, desgleichen, wenn es vielleicht nicht für die Ewigkeit geschaffen wurde. ELECTRIC BOYS liefern solide Kost ab, die Spaß macht, handwerklich überzeugt und die eigene Tradition respektiert. »Shady Side Of Town« ist ein Stück Classic-Rock, das auf Augenhöhe mit der eigenen Vergangenheit steht und Fans wie Neueinsteiger gleichermaßen anspricht.
Fazit: ELECTRIC BOYS beweisen mit »Shady Side Of Town«, dass sie selbst nach mehreren Jahrzehnten weiterhin kreativ und musikalisch relevant sind.
Tracklist
01. Head Honcho
02. Grand Explosivos
03. Looking For Vajayay
04. Keep It Dark
Besetzung
Conny Bloom – guitar, lead vocals
Andy Christell – bass, backing vocals
„Slim“ Martin – guitar, backing vocals (lead vocals on „Keep It Dark“)
Jolle Atlagic – drums

