Das Debütalbum der norwegischen Legenden CADAVER von 1990, „Hallucinating Anxiety„, erhält neues Leben und eine Neuveröffentlichung. Remastered, remixed, mit limitierter farbiger Vinyl-Edition und neuem Cover bringt diese Wiederveröffentlichung eines der wichtigsten und prägendsten Werke vom Beginn des (heute Old-School) schwedischen Death Metal zurück ins allgemeine Bewusstsein.
Kultalbum mit komplizierter Geschichte
Ein Album mit komplizierter Geschichte. Zunächst als Split mit dem Carnage-Meisterwerk „Dark Recollections“ veröffentlicht, dann als einzelnes Album – mit einigen Unstimmigkeiten über die Song-Reihenfolge oder wie sie zusammengeführt wurden. Doch nichts konnte „Hallucinating Anxiety“ davon abhalten, ein Referenzalbum zu werden, ein Kultwerk.
„March of the Collapse“ ist ein Intro, nicht Teil der Originalveröffentlichung – sehr kurze gruselige Klänge und eine raue, finstere Stimme. Schon sehr bald startet „Twisted Collapse“ mit sehr rohem Sound, heruntergestimmten Gitarren, morbider Atmosphäre und insgesamt dissonantem Klang. Aber es ist so ein interessanter Einblick in den Sound des frühen schwedischen Death Metal.
Ebenfalls mit komplizierter Geschichte sind CADAVER eine 1988 gegründete Band, Pioniere des Death Metal und eine der originellsten Bands aus Norwegen, mit engen musikalischen Beziehungen zu schwedischen Bands, die damals einen neuen und originellen Stil von Extreme Metal spielten. Aus Råde/Fredrikstad, nahe Oslo, stammend – damals eine lebendige Metal-Community – machten sie sich nach einer Serie beeindruckender Demos einen Namen in der Szene, bekamen einen Plattenvertrag, und bald wurde das erste Album „Hallucinating Anxiety“ veröffentlicht. Mit sehr guter Rezeption folgte zwei Jahre später ein zweites Album, doch 1993 wurde die Band wegen musikalischer Differenzen aufgelöst. Wiederbelebt von Gitarrist Anders „Neddo“ Odden, dem einzigen konstanten Mitglied durch all die Jahre, waren sie zwischen 1999 und 2005 wieder aktiv, mit einem dritten Album in dieser Periode. 2019 erfolgte eine dritte Reunion, seither sind sie aktiv. Neben Neddo, der mittlerweile auch Bass und Vocals übernommen hat, sitzt Dirk Verbeuren am Schlagzeug. In dieser Besetzung veröffentlichten sie drei weitere LPs mit gemischter Rezeption.
Neuanordnung bringt frische Perspektive
Das neu remixte Album wurde auch neu arrangiert – die Songs erscheinen in anderer Reihenfolge als im Original, die ersten Songs sind jetzt die, die ursprünglich auf der B-Seite der LP waren. „Corrosive Delirium“ ist Uptempo mit simpleren Akkorden, noch finstereren Growls, unerbittlichen Drums und gutem Rhythmus. Es hat alle Zutaten von frühem Death Metal – kurz und effektiv. „Abnormal Deformity“ bringt gute Riffs, die Vocals bleiben nur ein distantes, raues, eher geflüstertes – aber makabres – Element. Mit Tempowechseln, aber die bestrafende und abrasive melodische Linie beibehaltend.
„Erosive Fester“ bringt schnelleren Rhythmus, aber minimalere Instrumentierung – Vocals und Drums bestimmen hauptsächlich den Klang. Gitarren sehr im Hintergrund, jedenfalls ein deutlich besserer und klarerer Sound verglichen mit dem Original. Das Album behält denselben Ansatz und die musikalische Richtung für die nächsten Songs bei: „Cannibalistic Dissection„, „Hypertrophyan“ oder „Petrified Faces“ – ähnlich in Ansatz und Aggressivität, aber alle mit unterschiedlichen musikalischen Ideen und jeder mit einem charakteristischen Sound und melodischer Linie. Ein damals kreativerer Ansatz. Gute Riffs und ein leicht melodischerer Sound kommen in „Mental Abhorrence„, aber immer noch rau und gewalttätig.
Die Produktion ist roh – wenn man bedenkt, dass hier ein 35 Jahre altes Album vorliegt, aufgenommen unter den damaligen Bedingungen, was roh bedeutet wegen technologischer Limitierungen, nicht als künstlerische Vision. Nun wurden durch sorgfältigen Remix und Remaster die alten Bänder bearbeitet, um das Beste aus dem Originalsound in besserer Klangqualität herauszuholen. Und es ist eine deutlich bessere Qualität als die Originalaufnahme, behält aber die authentische Stimmung des 90er-Albums bei. Insgesamt gute Arbeit – auch ohne die Klarheit, die wir heute gewohnt sind, ein guter Sound, besser ausbalanciert und angenehm zu hören.
Pioniergeist in jedem Riff spürbar
Das ursprüngliche Intro „Tuba Libre“ kommt in dieser Neuauflage sehr spät – kurz und atmosphärisch, aber sehr dissonant, ein perfektes Intro für „Ignominious Eczema„, den längsten Song des Albums mit über vier Minuten. Eine andere Klanglandschaft, komplett anderer Gitarrensound, nicht mit dem typischen heruntergestimmten Sound, auch viel langsamere Riffs. Nur die Vocals sind ähnlich zu den Songs davor, und die groteske Atmosphäre.
Gute Riffs kehren in „Innominate“ zurück – alle mit typischen Akkorden, die Teil des Death-Metal-Sounds sind, wie wir ihn kennen. Das Tempo oszilliert zwischen sehr schnell und viel langsamer, ein Song auf der Suche nach Richtung, aber auch das ist mittlerweile typischer Teil davon, wie Death Metal klingt. Sicher sind all diese Einflüsse im modernen Death Metal nicht ausschließlich CADAVERs Verdienst – alle Bands jener Zeit kreisten ihre Musik um dieselben Ideen und Klanglandschaften. Eine Wiege von Ideen, die zwischen Musikern ausgetauscht wurden und sich langsam zu einem extremen Musikstil kristallisierten, heute bekannt als schwedischer Death Metal.
Der Titelsong „Hallucinating Anxiety“ ist sehr dissonant und nicht besonders melodisch. Mit einem klaren Riff, aber alles andere scheint nur zu schütteln und nicht sehr melodisch zu sein. Aber ein interessanter Song in seinem so rohen Ansatz. „Maelstrom“ ist vocal-dominiert, sehr aggressiv, aber im Ansatz nicht viel anders als die vorherigen. Wild, abrasiv. „Bodily Trauma“ kommt mit prominentem Bass-Sound und dynamischerem Drumming. „March of the Twisted“ ist der finale Song, ein Outro mit denselben symphonischen Akkorden wie das Intro und auch derselben gruseligen Stimme – schließt den Kreis mit denselben verstörenden Klängen wie am Anfang.
Verdiente Neuauflage für neue Generation
Mehr als nur ein Blick zurück in die Geschichte des Death Metal mit den frühen Tagen dessen, was heute Old-School-Death-Metal ist – das Album bringt den authentischen Sound der Anfänge zurück. CADAVER wurden mittlerweile zur Kultband, und dieser Status basiert sehr stark auf genau diesem Album. Und im Rückblick ist es eine absolut verdiente Fanwertschätzung. Voller Ideen, tonnenweise gute Akkorde, originelle Riffs und insgesamt eine Pionierband mit authentischem Werk.
Mehr als nur Nostalgie – ein Album, das es verdient, wieder ans Licht gebracht zu werden, für die neue Generation und auch für die alten Fans, die es vielleicht vergessen haben. Eine verdiente Neuauflage. Die Qualität der Musik spricht für sich selbst, keine Worte sind nötig, um das Album zu beschreiben oder zu loben. Und ja, auch wenn es einige nicht ganz perfekte Dinge auf dem Album gibt und nicht alles war und ist perfekt, verdient es keine Kritik. Eine starke Empfehlung für neue oder alte Fans des Death Metal.
Fazit: 35 Jahre nach Erstveröffentlichung erhält CADAVERs Debüt „Hallucinating Anxiety“ eine neue Behandlung, die das Beste aus einem sehr wichtigen Album herausholt.
Tracklist
01. March of the Collapse (Intro I)
02. Twisted Collapse
03. Corrosive Delirium
04. Abnormal Deformity
05. Erosive Fester
06. Cannibalistic Dissection
07. Hypertrophyan
08. Petrified Faces
09. Mental Abhorrence
10. Tuba Libre (Intro II)
11. Ignominious Eczema
12. Innominate
13. Hallucinating Anxiety
14. Maelstrom
15. Bodily Trauma
16. March of the Twisted (Outro)
Besetzung
Anders Odden – Guitars
René Jansen (R.I.P. 2014) – Bass
Ole Bjerkebakke – Drums, Vocals

