„Breath“, das Debütalbum in voller Länge des in Münster beheimateten Quartetts AUßERWELT, ist eine komplexe Klangreise. Nach über einem Jahrzehnt des Suchens und Wachsens vereint das Album Brutalität und Melodie, Experiment und Zerbrechlichkeit, Aggression und Zartheit auf bemerkenswerte Weise.
Direkter, aggressiver Sound mit emotionaler Tiefe
Ein direkter, aggressiver Sound eröffnet das Werk. „Old Dreams Of The West“ setzt auf einen markanten Bass und kraftvolle Gitarren. Die Vocals sind geschrien, rau und intensiv. Doch schon früh zeigt sich die post-metallische, experimentelle Seite von AUßERWELT: ruhige, atmosphärische Passagen durchbrechen die Wucht, getragen von verzweifelten Vocals und einer eher traurigen Grundstimmung. Das Klangbild ist dicht, mit treibendem Schlagzeug, voller Instrumentierung, einem tremolierenden Gitarrensolo, das schließlich in ein akustisch geprägtes Zwischenspiel übergeht. Komplex, detailreich und packend.
Deutlich melodischer, mit beinahe melancholischen Akzenten, zeigt sich der Titelsong „Breath“. Hier wechseln sich aggressive Ausbrüche und fast reine Atmosphäre ab. Hypnotische Akkorde und eine dominierende Leadgitarre, die den Gesang teilweise in den Hintergrund drängt, bestimmen das Geschehen. Dynamische Wechsel, starke Rhythmusarbeit und dichte Riffs lösen sich in fragile Klanglandschaften auf, die fast nur aus Gitarrenfiguren und wenigen Schlagzeugakzenten bestehen. Dieses Wechselspiel erschafft eine ganz eigene Stimmung. Durchdacht komponiert und einer der Höhepunkte des Albums.
Stimmungsbogen: von filigran bis brachial
AUßERWELT wurde 2011 gegründet. Von Anfang an dabei sind Meredith Schmiedeskamp an der Gitarre und Manuel Klein (ex-Decaying Days, ex-Forlorn Tales) an Gitarre und Leadgesang. Nach einigen Umbesetzungen fand sich das feste Line-up mit Kris Lucas (Elna, ex-Stalingrad Pussies, ex-Gilo) an Drums, Piano und Clean Vocals sowie Steffen Wolter (ex-Decaying Days, ex-Torme) am Bass.
„The Long Goodbye“ beginnt akustisch, introvertiert, voller Atmosphäre und feiner Details. Mehrschichtige Gitarren, gezielt gesetzte Drums, verzweifelte Schreie – und dann entwickelt sich das Stück zu einem massiven, dichten, dissonanten Soundgewitter. Lang, intensiv, in Teilen nah am Black Metal, dabei stets von Wucht und Dramatik getragen. Ein weiteres Highlight.
Die Produktion bleibt für ein Post-Metal-Album erstaunlich rau. Wo das Genre sonst oft auf übertriebene Klarheit setzt, bewahrt AUßERWELT eine gewisse Rohheit, die man eher aus dem Black Metal kennt. Das Album entstand vollständig in Eigenregie im bandeigenen Studio und trägt diese Authentizität in sich – roh und ehrlich, zugleich aber mit modernen Akzenten versehen. Von der schimmernden Zerbrechlichkeit in Piano- und Clean-Gitarren-Passagen bis hin zur unbändigen Aggression bietet „Breath“ eine Vielzahl feiner Details. Textlich zieht sich das Konzept des Atems durch das gesamte Album: als physiologischer Vorgang wie auch als existenzielle Metapher.
Stilistische Bandbreite der Songs
„Finite/Solitaire“ ist ein kurzes Klavierintermezzo, sensibel, atmosphärisch dicht. „Whiteout Solace“ beginnt mit beeindruckender Gitarrentechnik, bevor es in harsche Vocals kippt. Die Gegensätze treten hier besonders deutlich hervor: wunderschöne Melodien prallen auf infernalische Aggression.
Mit „While The Ruins Still Linger“ hellt sich die Stimmung auf – ein schnelleres Stück mit vielschichtiger Instrumentierung und teils fast geschrienen Clean Vocals. Die Kontraste bleiben prägend, getrieben von unnachgiebigen Drums, dramatisch und wirkungsvoll. „Embers Touching Blackest Soil“ verliert etwas an Melodik, gewinnt aber an Schwere: tiefgestimmte Gitarren, fast doomige Momente, technisch eindrucksvoll und brachial.
„Eyes To The Sea“ ist ein introspektives Instrumental, getragen von akustischen Gitarren und Hall. Das abschließende „In The Night’s Coating, We Contemplate Hope“ greift diese Akkorde auf, entwickelt sie langsam weiter, fügt E-Gitarren und Schichten hinzu, bis sich ein komplexes, explosives Klangbild entfaltet – schließlich ergänzt durch Growls, die das Ganze vollenden. Eine beeindruckende Transformation von Einfachheit zu überwältigender Intensität, ein progressiver Ansatz, aber mit schwarzem Kern. Das Album endet in einer entfesselten Klangexplosion.
AUßERWELTs Post-Metal — souveräne Genrebalance
AUßERWELT zeigen auf „Breath“, wie Post-Metal sein kann, ohne in belanglose Langsamkeit zu verfallen. Stattdessen finden sie eine Balance zwischen den Extremen – atmosphärisch, progressiv, schwarzmetallisch, experimentell. Lange Songs bieten Raum für Entwicklung, Wechsel, Details. Die Vocals variieren zwischen klaren Stimmen, Schreien und Growls, was zusätzliche Tiefe bringt. Technisch liefern alle Musiker, besonders die Gitarren, eine beeindruckende Vielfalt.
„Breath“ ist ein Album voller Ideen: manche einzigartig und neu, andere eher vertraut, stets aber im Post-Metal-Kosmos verankert. Moderne Einflüsse treffen auf progressive Strukturen, Ambient auf extreme Härte. Black Metal ist nur punktuell präsent, aber die Mischung trägt stets dessen Atmosphäre in sich.
Dieses Debüt demonstriert eindrucksvoll die Meisterschaft von AUßERWELT im Umgang mit Emotionen, Melodien und der Verschmelzung verschiedener Genres. Ihre Musik überschreitet die gängigen Grenzen von Post- und Extreme Metal und schafft einen Klang, der sowohl vertraut als auch neuartig wirkt. Eine klare Empfehlung für alle, die in diesem Genre nach Tiefe und Intensität suchen.
Fazit: Starkes Debüt von AUßERWELT – „Breath“ vereint Emotionalität und Aggression zu einem beeindruckenden Klangbild.
Tracklist
01. Old Dreams Of The West
02. Breath
03. The Long Goodbye
04. Finite/Solitaire
05. Whiteout Solace
06. While The Ruins Still Linger
07. Embers Touching Blackest Soil
08. Eyes To The Sea
09. In The Night’s Coating, We Contemplate Hope
Besetzung
Manuel Klein – Guitars & Lead Vocals
Kris Lucas – Drums, Piano, Clean Vocals
Meredith Schmiedeskamp – Guitars
Steffen Wolter – Bass