Wenn eine Band wie DAYSEEKER ein neues Kapitel aufschlägt, hört die Szene buchstäblich hin. Seit Jahren zählt das Quintett aus Kalifornien zu den spannendsten Acts, die den Spagat zwischen emotionaler Melodik und metallischer Wucht meistern. Mit »Creature In The Black Night« präsentieren sie nun ein Album, das einerseits vertraut klingt, andererseits den düsteren Soundtrack zu einer nächtlichen Katharsis liefert.
Sanfte Klavierflächen, eine fragile Stimme, die sich langsam erhebt
Schon der eröffnende Track »Pale Moonlight« setzt den Ton: sanfte Klavierflächen, eine fragile Stimme, die sich langsam erhebt – und dann die Explosion. DAYSEEKER bleiben Meister darin, das Licht nur zu zeigen, um es dann von Schatten verschlucken zu lassen. Rory Rodriguez, einer der ausdrucksstärksten Sänger des modernen Post-Hardcore, legt seine ganze Zerbrechlichkeit in diese Songs. Seine Stimme pendelt zwischen melancholischem Falsett und aggressivem Ausbruch – eine Dynamik, die die Band seit »Sleep Talk« (2019) perfektioniert hat.
Der Titelsong »Creature In The Black Night« bündelt all das, was DAYSEEKER ausmacht: atmosphärische Synth-Landschaften, schwere Gitarrenriffs und diese bittersüße Emotionalität, die sich in jeder Zeile spiegelt. Während Alex Polk und Gino Sgambelluri an den Gitarren eine dichte Klangwand aufbauen, sorgt die Rhythmussektion um Andrew Sharp (Bass) und Mike Karle (Drums) für Druck und Präzision. Das Resultat: ein Sound, der gleichermaßen treibt und umarmt – wütend, verletzlich, hymnisch.
Düstere Metapher vom Rückzug ins Innere
In »Crawl Back To My Coffin« lotet die Band die Grenzen ihres Genres aus. Die düstere Metapher vom Rückzug ins Innere wird musikalisch mit stampfenden Breakdowns und schwebenden Melodien umgesetzt. Hier zeigt sich erneut, dass DAYSEEKER längst mehr sind als eine gewöhnliche Metalcore-Band. Ihre Songs klingen cineastisch – fast so, als würden sie eine Geschichte in Kapitel aufteilen, die sich zwischen Leben, Tod und Wiedergeburt bewegt.
»Shapeshift« dagegen bringt einen annähernd poppigen Refrain mit, der an die jüngeren Arbeiten von BRING ME THE HORIZON erinnert, während »Soulburn« mit gospelhaften Background-Chören überrascht. DAYSEEKER spielen auf diesem Album häufiger mit Kontrasten – himmelhochjauchzend und abgrundtief zugleich.
Mit »Bloodlust« und »Cemetery Blues« wird die Atmosphäre schwerer, dunkler. Rodriguez’ Texte drehen sich um Verlust, Sucht, Selbstzerstörung – Themen, die er offen und schmerzhaft ehrlich behandelt. Doch trotz aller Dunkelheit schimmert in Songs wie »Nocturnal Remedy« oder »The Living Dead« ein zarter Hoffnungsschimmer durch: das Bedürfnis nach Heilung, nach Akzeptanz.
Musikalisch bleibt die Band sich treu, wagt aber punktuelle Experimente. Elektronische Elemente, die an DEFTONES erinnern, treffen auf glasklare Vocal-Hooks, die approximativ radiotauglich wirken. Der Spagat zwischen Härte und Zugänglichkeit gelingt nicht immer perfekt – manche Refrains wirken etwas zu glatt, einige Übergänge zu vorhersehbar. Doch wenn DAYSEEKER die Balance halten, entfaltet sich ein Sound, der folgendermaßen emotional dicht ist, dass man ihn kaum abschütteln kann.
Das abschließende »Forgotten Ghost« beendet das Album auf einer angenähert spirituellen Note. Die leisen Pianoklänge und Rodriguez’ Stimme, die sich in den letzten Takten ins Nichts verflüchtigt, lassen einen bittersüßen Nachgeschmack zurück – als hätte man einen nächtlichen Traum erlebt, der irgendwo zwischen Schönheit und Schmerz schwebt.
Verletzlich, leidenschaftlich, authentisch
»Creature In The Black Night« ist kein radikaler Neuanfang, sondern eine konsequente Weiterentwicklung. DAYSEEKER klingen reifer, cineastischer, vielleicht daneben ein Stück melancholischer als je zuvor. Die Produktion ist brillant, die Emotionen sind echt, und Rory Rodriguez bleibt das Herz dieser Band – verletzlich, leidenschaftlich, authentisch. Trotz kleiner Längen und einer gewissen Formelhaftigkeit in der zweiten Albumhälfte bleibt das Werk beeindruckend – ein Soundtrack für die Nacht, in der man mit den eigenen Schatten tanzt. DAYSEEKER liefern mit »Creature In The Black Night« ein starkes Album, das zwischen Schmerz und Erlösung oszilliert – und sich genau dort am wohlsten fühlt, wo Licht und Dunkelheit aufeinandertreffen.
Fazit: DAYSEEKER liefern mit »Creature In The Black Night« ein abwechslungsreiches und kraftvolles Album, das sowohl emotionale als auch harte Momente bietet.
Tracklist
01. Pale Moonlight
02. Creature In The Black Night
03. Crawl Back To My Coffin
04. Shapeshift
05. Soulburn
06. Bloodlust
07. Cemetery Blues
08. Nocturnal Remedy
09. The Living Dead
10. Meet The Reaper
11. Forgotten Ghost
Besetzung
Rory Rodriguez – Vocals
Alex Polk – Guitar
Gino Sgambelluri – Guitar
Andrew Sharp – Bass
Mike Karle – Drums

