VARGSHEIM – Interview
Das deutsche Black-Metal-Projekt Vargsheim hat kürzlich seinen neuesten Streich Söhne der Sonne auf die Menschheit losgelassen. Da wir das Teil im Probelauf mochten und uns vor allem die Texte und Konzept interessierten, haben wir die beiden Kaelt und Harvst von Vargsheim zum Interview gebeten. Lest selbst, was sie zu Texten, Sonne und Schüchternheit gegenüber Frauen zu sagen haben!
Peter (Metalunderground): Liebe Vargsheim, zuerst ganz herzliche Gratulation zum neuen Album! Die Scheibe ist in meinen Ohren ein wirklich ordentliches Stück Black Metal eigener Sorte geworden. Black’n’Roll hat für mich oft das Problem, dass er nicht „schwarz“ genug ist. Hier ist es schwarzmetallisch genug! Zuerst die unvermeidlich Beginnfrage: Es soll ja da draußen tatsächlich noch einige Wahnsinnige geben, die von Euch noch nichts gehört haben. Könntet Ihr uns daher kurz sagen, wer sind Vargsheim und wie würdet Ihre Eure Mucke charakterisieren?
Kaelt: Danke dir erstmal! Da wir mit dem neuen Album gewissermaßen den Bogen zu unserer ersten Veröffentlichung spannen, ist der Schritt zurück in der Bandhistory gleich zu Anfang vielleicht auch gar nicht so verkehrt. Beim Schreiben der Songs hatten wir ein paar Momente in denen wir uns sagten „Das klingt so, wie wir auf unserer Demo klingen wollten“. Diese liegt mittlerweile 13 Jahre zurück und damals war der Black Metal-Anteil noch höher als auf den darauf folgenden Alben. Nach der Demo bauten wir unsere Black´n´Roll-Schlagseite mehr aus und fingen an unseren eigenen Stil zu entwickeln. „Söhne der Sonne“ geht wieder mehr back to the roots, bringt aber auch einige neue Elemente mit ins Spiel. Ich verstehe was du mit „nicht schwarz genug“ meinst, für mich klingt Black´n´Roll oft mehr nach Black-Thrash. Zum Black Metal gehört aber auch immer die Atmosphäre, die Düsternis, das macht dieses Genre aus.

P: Ich möchte mit Euch vor allem über die Texte auf dem neuen Album, sowie ihr Zusammenspiel mit der musikalischen Umsetzung reden. Grundsätzlich spricht mich an Euren Lyrics an, dass sie sehr bildhaft daherkommen, Raum für Interpretation lassen. Zugleich scheinen mir die Riffs jeweils die Bilder in den Songs ebenso zu transportieren. Besonders angesprochen hat mich zuerst der Opener „Individuum“. Da kommt die Textzeile vor: „Die Zeit treibt Zeiger bis ins Mark“. Ist es das so zu interpretieren, dass die Zeit lebensbedrohlich rasch verrinnt, wenn man nicht als „Individuum erwacht“? Ist Individualismus hier ein Grundkonzept?
Harvst: Von der ersten bis zur letzten Sekunde ist jedes Wesen ein Individuum. In multimedialen Käfigen bleiben mittlerweile die meisten am liebsten für sich. Wir schließen uns dabei nicht aus. Jeder von uns sieht Filme, hört Musik oder bewegt sich in sozialen Netzwerken, manche zocken den halben Tag Videospiele. Je älter man wird, desto schwieriger wird es Gleichgesinnte zu finden, denn viele verlieren den Bezug zur Realität. Als Konsumopfer sind wir stumpfgewordene Zahnräder in einer Zeit, in der man sich entweder aufgibt oder man versucht aus seiner Zelle auszubrechen und sich selbst zu erkennen. Erst wenn sich die Gedanken mit der Natur vereinen sind wir auf einem steinigen, aber guten Weg.
P: Ähnlich gut gefielen mir die Lyrics zum Titeltrack „Sönne der Sonne“. Ist ja bekanntermaßen der Titelsong und somit nominell der Konzeptgeber der Scheibe. Wer sind denn die Söhne der Sonne? Vargsheim? Ich? Wir alle?
Kaelt: Die Menschen neigen schon immer dazu sich selbst und ihre Herkunft zu überhöhen. Ich habe den Begriff ehrlich gesagt auch erst gegoogelt, als das Album praktisch schon veröffentlicht war und die meisten Ergebnisse verweisen auf ein Buch über die Inka und einen Song einer NSBM-Band. Das fand ich recht treffend, da es in unserem Stück um die Überheblichkeit der menschlichen Rasse geht. In der Geschichte wiederholt es sich doch immer wieder, dass Gruppierungen sich als allein durch ihre Geburt oder durch angeeignete Ideologien den anderen überlegen fühlen und somit vieles zu legitimieren versuchen. Seien es die Inkas, die Konquistadoren, Nazis, Kommunisten, Rechte, Linke, Christen, Moslems…. So viele beanspruchen die absolute Überlegenheit ihrer Gedankenwelt für sich. Am Ende stürzen sie alle ins Chaos, Geschichte neigt dazu sich zu wiederholen.
P: Eine Sache fiel mir auf, die ich Euch etwas provokant, vielleicht sogar dämlich fragen wollte: Neben dem Titeltrack gibt es noch den Song „Töchter des Mondes“. Interessanterweise ist das ein Instrumental. Provokant bis dämlich gefragt: Sind Frauen im Vargsheim Universum nicht vorhanden oder habt ihr über sie nichts zu sagen? Warum ist das so?
Kaelt: Frauen machen uns sprachlos, haha. Nein, damit hat das nichts zu tun. Das Schöne, wenn man einem Instrumental seinen Namen gibt ist, dass es nur ein Gedankenanstoß sein muss und die Musik ansonsten frei ist. Der Song war fertig bevor er den Titel bekam und mir gefiel die Idee, ihn sozusagen als Gegenteil zum Albumtitel zu benennen. Man könnte es auch so auslegen, dass die Söhne der Sonne den zerstörerischen, überheblichen Teil des Menschen darstellen – die Töchter des Mondes sind schöpferisch, besonnen und sorgen für Ausgleich. So sind auch die Stücke die beiden gegensätzlichsten des Albums: „Söhne der Sonne“ ist stampfend, aggressiv und rasend, “Töchter des Mondes“ hingegen eher eine Classic-Rock-Nummer.
P: Ich mag an dem Album, dass die Lyrics in ihren Bildern gut mit den Stimmungen der Riffs zusammenarbeiten. Wenn nun so ein Vargsheim-Song entsteht, wie geht denn das vor sich? Was ist zuerst da: Thema, Bild, Text oder Riff oder verschieden?
Kaelt: Harvst´und meine Art Texte zu schreiben ist recht unterschiedlich. Meistens entstehen zuerst die Riffs und ein paar Übergänge, dann fallen mir ein paar Schlagworte dazu ein, die ich aber nicht aufschreibe. Wenn es gut ist, vergesse ich es auch nicht. Irgendwann ist dann der Moment gekommen und ich schreibe den Text fast immer in einem Rutsch innerhalb einer halben Stunde auf. Wenn mir zu einer Riff-Ansammlung nichts einfällt, gebe ich den Song an Harvst ab und er versucht sich daran. Er schreibt seine Texte eher über einen längeren Zeitraum und wenn sich der Text in eine Richtung entwickelt, die mit der Musik nicht richtig harmoniert, wird wieder an der Komposition gefeilt. Das läuft parallel bei mehreren Songs ab, weswegen das Ganze auch seine Zeit braucht. Spontanität und Bauchgefühl spielen dabei eine wichtige Rolle, wir schreiben nichts nach Schema F.
P: Schließlich: Was steht in nächster Zeit an, werden wir auch in Österreich die Freude von Live-Gigs haben?
Kaelt: Wir sind aktuell dabei einiges ins Rollen zu bringen, was dabei alles herauskommt, wird sich zeigen. Neben neuen Shirts und einer Sammlerbox zum Album werden wir in Kürze noch einen zweiten Videoclip veröffentlichen. Konkrete Österreich-Pläne haben wir noch nicht, aber wir kommen gerne wieder!
P: Danke für spannende Interview!