„Premonição: Só Me Arrependo Do Que Não Vivi“ (übersetzt: „Vorahnung: Ich bereue nur, was ich nicht gelebt habe“) ist das Debütalbum der in Lissabon ansässigen Doom/Death-Band MY DEMENTIA. Die Band widmet dieses Werk „Em memória do Miguel“ – Zum Gedenken an Miguel – dem Sänger und Gitarristen, der kurz nach den Aufnahmen verstorben ist.
Melancholisch schimmernd, tief emotional und von einer durchdringenden Traurigkeit geprägt – das ist die Musik von MY DEMENTIA, fest verwurzelt im klassischen Doom/Death Metal, wie er in den 90ern im Vereinigten Königreich und in Schweden geprägt wurde.
MY DEMENTIA erschaffen einen melancholischen, emotionalen Klang
Das Album beginnt mit „Noite Terrível“, einem langen, instrumentalen Auftakt, der den beschriebenen Sound eindrucksvoll untermauert. Der Song wirkt etwas anders als der Rest des Albums, stärker der melodischen Doom-Seite der Band zugewandt. Das Tempo ist schleppend, aber stabil, das Schlagzeug hält den Rhythmus ohne Übertreibung. Die Gitarren sind fein ineinander verwoben und erzeugen eine sphärische Klangfläche – über allem liegt eine hypnotische Melancholie. Definitiv ein Highlight.
Die Songs sind, ganz in Genretreue, sehr lang und nehmen sich die nötige Zeit, um Atmosphäre zu entfalten. „The Abyss“ beginnt direkter und weniger melancholisch-melodisch – ein bedrückender, zermalmender Klang schafft eine kathartische Stimmung. Die Vocals bestehen aus gequälten Growls, die perfekt zum Tempo und dem langsam brennenden Rhythmus passen. Tiefergestimmte Gitarren verstärken das apokalyptische Klangbild zusätzlich.
Ein düsterer Doom-Sound mit detailreichen Gitarrensolos
MY DEMENTIA wurde 2010 unter dem Namen Endovelicus gegründet und spielte im April 2011 ihr erstes Konzert. Nach einer Pause im Jahr 2012 kam die Band mit neuen Mitgliedern zurück, um neues Material zu schreiben und ihren Weg im Metal fortzusetzen. 2013 erschien das Demo „My Dementia“, das 2015 schließlich auch namensgebend für die Band wurde – der neue Name spiegelte die Ausrichtung und Intentionen der Gruppe treffend wider.
Das Album bleibt auch mit „The Eternal Wanderer“ seinem düsteren Klang treu. Das Tempo zieht leicht an, doch die bereits etablierte Atmosphäre bleibt erhalten. Ein langes, kunstvoll gespieltes Gitarrensolo vertieft die traurige Stimmung noch einmal deutlich. Ein stark komponiertes und überzeugend ausgeführtes Beispiel für Doom Metal – die Tempowechsel sind nicht abrupt, aber spürbar, und ein Crescendo, das neue Kraft entfaltet, macht den Song umso spannender.
Hinter diesem Album steht eine traurige Geschichte: Miguel, Sänger und Gitarrist der Band, verstarb nach den Mixing-Sessions. Dank der Entschlossenheit seines Bruders Vasco – ebenfalls Gitarrist bei MY DEMENTIA – konnte das Album dennoch fertiggestellt und veröffentlicht werden. Miguels musikalische Arbeit ist damit bewahrt und auf ewig in diesem Werk verewigt.
Neben Miguel Carneiro (R.I.P. 2024, ex-Endovelicus, ex-Eremus, ex-Frost Legion) an Gesang und Gitarre, bestand das Line-Up für das Album aus folgenden Musikern: Pedro Conde (ex-Endovelicus, Raining Beer, ex-Frost Legion) – Bass, Guilherme Serôdio (ex-Endovelicus) – Drums, Daniel Ferreira (ex-Endovelicus, ex-Frost Legion) – Gitarre sowie Vasco Carneiro (Eremus, ab 2016 bei MY DEMENTIA) – Gitarre.
Komplexer, zermalmender Doom/Death Metal mit existenziellen Texten
„Gloom’s Light“ geht stärker in Richtung Death Metal, ohne jedoch die Doom-Zutaten aus den Augen zu verlieren. Das Tempo zieht an, die Riffs bleiben dennoch schleppend und massiv. Der Bass spielt eine tragende Rolle, während im Hintergrund eine hypnotisch langsame Lead-Gitarre klagend aufschimmert. Die Vocals wechseln zwischen tiefem Growling und einem klar gesungenen Gothic-Stil – ein spannender Kontrast, der dem Song zusätzliche Tiefe verleiht. Eine komplexe Komposition mit mehreren Tempowechseln und stilistischen Variationen. Mit seinen 13 Minuten entfaltet der Song eine erdrückende Atmosphäre der Verzweiflung – ein episches Werk und ein weiterer absoluter Höhepunkt des Albums.
Die Produktion ist hervorragend gelungen – roh, aber differenziert. Die tiefgestimmten Gitarren dominieren, die Riffs drücken mächtig. Das Schlagzeug agiert zurückhaltend, aber effektiv. Beide Gesangsansätze fügen sich harmonisch ins Gesamtbild ein. Das Album wurde von Noise Portrait Recordings reamped, gemischt und gemastert. Die Instrumente selbst wurden von der Band in Eigenregie zwischen 2018 und 2022 aufgenommen. Die Old-School-Ausrichtung passt perfekt zum Sound, den MY DEMENTIA erschaffen. Die Texte greifen genretypische doom/death-Themen auf: Philosophie, Emotionen, Trauer und Verlust.
„Sin’s Demise“, ein zweiteiliger Song, beginnt mit schleppenden Klängen. Die Growls sind tief, verzerrt, hallend – fast eisig. Die Gitarren erzeugen mit ihrem Brummen eine mächtige Klangwand. Tempowechsel bringen Komplexität in die Struktur. Teil II – der längste Track des Albums – beginnt noch erdrückender, das Tempo ist noch langsamer, die Wirkung ist verstörend. Doch auch im späteren höheren Tempo bleibt die Stimmung düster und bedrückend. Die Basslinien in diesem Stück sind besonders eindrucksvoll, und die eingesetzten Clean Vocals entfalten eine berührende emotionale Wirkung. Ein echtes Opus – und ein Album, das nachhaltig im Gedächtnis bleibt.
Ein beeindruckendes Werk der portugiesischen Band. Voller Emotionen und mit einer typischen Doom-Atmosphäre präsentieren sich MY DEMENTIA auf ihrem Debüt gereift und fokussiert. Die Kompositionen sind durchdacht, technisch präzise und ausdrucksstark. Ein starkes Statement für hochwertig umgesetzten Doom/Death Metal.
MY DEMENTIA gelingt es, zutiefst emotionale Musik zu erschaffen. Nach diesem Longplayer wünscht man sich mehr von der Band – und man kann nur hoffen, dass sie trotz des Verlusts wieder zurückkehren und neue Werke schaffen werden.
Fazit: MY DEMENTIA erwecken ihr Album mit einer kraftvollen, zermalmenden Wirkung zum Leben und liefern melancholischen, emotionalen Doom/Death Metal auf hohem Niveau.
Tracklist
01. Noite Terrível
02. The Abyss
03. The Eternal Wanderer
04. Gloom’s Light
05. Sin’s Demise I
06. Sin’s Demise II
Besetzung
✝ Miguel Carneiro (R.I.P. 2024) – Vocals, Guitars
Pedro Conde – Bass
Guilherme Serôdio – Drums
Daniel Ferreira – Guitars
Vasco Carneiro – Guitars