
Mit ihrem zweiten Release „Subcutaneous Tomb“ setzen FESSUS ihren von Morbidität, Verfall und archaischem Death Metal geprägten Stil konsequent fort. Das Album verbindet langsamen, fauligen Doom-Death mit eruptiven, aggressiven Ausbrüchen und formt daraus eine dichte, unheilvolle Atmosphäre, die sowohl technisch präzise als auch emotional roh wirkt. Zwischen morbider Bildsprache, klassischem Death-Metal-Erbe und einer ungewöhnlich starken visuellen Komponente erschaffen Fessus ein Klangbild, das gleichermaßen verrottet, erzählerisch und bedrückend ist. Wir haben mit der Band über die Entstehung von „Subcutaneous Tomb“, ihre musikalische Entwicklung, Einflüsse und Visionen sowie über den besonderen Charakter der Wiener Szene gesprochen.
Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur neuen Veröffentlichung – und erneut zu einem sehr eindrucksvollen Album. Es ist erst seit kurzer Zeit draußen: Wie läuft es bisher, und wie fühlt ihr euch persönlich jetzt, da es offiziell erschienen ist?
Brenton: Danke, ja positiv, aber natürlich ist das Album für uns nicht mehr so neu. Wir haben es im Jänner aufgenommen und kenne die Songs mittlerweile sehr gut. Aber ich bin froh, dass es endlich veröffentlicht wurde.
Euer Debütalbum „Subcutaneous Tomb“ ist stilistisch sehr dicht, atmosphärisch düster und wirkt wie ein Werk, das sich bewusst gegen Komfort und Vorhersehbarkeit sträubt. Wie habt ihr die Balance zwischen langsamem Doom-Death und aggressiven Ausbrüchen konzipiert?
Brenton: Das Album ist eine Fortsetzung von ´Pilgrims of Morbidity´. In dem Sinne war es nicht so schwierig weil ich wusste was für einen Sound das Album braucht, aber ich habe jede Komposition ein 1000 Mal überdacht um sicherzustellen dass alles passt und ob man gewisse Teile vielleicht noch verbessern kann. Dementsprechend habe ich bei jedem Lied mindesten drei Teile umgeschrieben. Ich wollte, dass jeder Teil seinen Platz hat und nichts umsonst da ist. Die Herausforderung war wie man die Doom Parts einbauen kann ohne dass man den Flow verliert. Ich wollte nicht machen was zum Beispiel Blood Incantation gemacht haben wo ein Riff einfach aufhört und ein komplett anderen wieder anfängt. Jedenfalls steht das Songwriting für uns an der ersten Stelle.
Wie unterschied sich der Schreibprozess für „Subcutaneous Tomb“ vom Songwriting für eure anderen Werke? Aufnahmen können sowohl inspirierend als auch schwierig sein – wie war die Erfahrung diesmal? Gab es spezifische Herausforderungen oder Unterschiede zu früheren Sessions?
Brenton: Der Aufnahmeprozess war für das Album sehr anders weil wir in einem professionellen Studio waren wo jeder Teil separat aufgenommen wurde. Für ´Pilgrims´ haben wir mehr oder weniger alles zusammen live eingespielt. Der Aufnahmeprozess im Studio war aber nicht ohne seine Herausforderungen – zum Beispiel ist unser Tontechniker kurz nach Aufnahmebeginn sehr krank geworden. Wir mussten also alles viel schneller aufnehmen als geplant war. Ich hatte nur eineinhalb Tage Zeit für Gesang was ziemlich stressig war. Anderseits hat mir das irgendwie geholfen weil ich wusste, dass jeder Take vielleicht der einzige sein wird.
In eurem Promo-Text heißt es: „Austria once spawned classics like Been Caught Buttering and Expositionsprophylaxe, yet for decades no Death Metal album matched those heights. That changed when Brenton, an Australian in Vienna, formed FESSUS in 2023.” Wie viel davon ist Marketing – und wie viel entspricht tatsächlich eurem Selbstverständnis?
Gumpf: Ich glaube ich spreche für uns alle wenn ich sage dass die österreichische Metalszene auf unsere Arbeit eigentlich gar keinen Einfluss hat. Wenn man unbedingt Einflüsse auflisten will müsste man vermutlich eher in den USA suchen – aber im Großen und Ganzen sind wir einfach wir selbst und machen unseren eigenen Sound.
Ihr verwendet in euren Texten sehr häufig das Wort „Morbidity“. Was bedeutet Morbidität für euch persönlich und wie beeinflusst sie euer Songwriting?
Gumpf: Da sind wir vermutlich nicht die einzigen – morbiden Themen gehört einfach zum Death Metal dazu – zumindest für mich bedeutet die künstlerische Auseinandersetzung mit Dingen wie Tod und Gewalt dass ich selbiges besser in meinem Kopf sortieren kann.
Brenton: Für mich ist es irgendwas zwischen einem traurigen Ausdruck und etwas sehr Mächtigem. Die Texte werden von der Musik auch beeinflusst und so definiert sich das Wort `Morbidity´ für mich irgendwie zwischen Trauer und Macht. Ohne den Tod würde das Leben schließlich keinen Sinn haben. Ich betrachte Morbidität gleich wie den Tod – es verstärkt einen obwohl gleichzeitig auch jeder Angst davor hat.
Brenton, dein Gesang wurde als „deranged“ und sehr vielseitig beschrieben – eine Mischung aus Growls und fast manischen Ausbrüchen. Wie entwickelst du deine vokalen Ideen und inwieweit ist das eine bewusst theatralische Performance?
Brenton: Ich habe den Gesang vor allem über Liveerfahrung entwickelt. Grundsätzlich weiß ich jetzt was ich kann und was ich nicht kann. Der Gesang ist da um die Musik zu verstärken. Ich pack nur die langen Schreie aus, wenn ich das Gefühl habe, dass es dem Sound hilft oder die Musik besser macht. Natürlich will ich auch, dass die Musik eine Stimme und eine Identität hat und vielleicht kommt ein Großteil davon vom Gesang – aber es war eine natürliche Entwicklung und nicht irgendwas was ich im Vorhinein geplant hatte.
Euer Demo „Pilgrims of Morbidity“ war sehr roh, „Subcutaneous Tomb“ klingt ausgefeilter, aber weiterhin morbide. Wie habt ihr euch als Band in diesen zwei Jahren entwickelt – musikalisch, technisch und emotional?
Brenton: Ein paar Lieder auf dem Album habe ich kurz nach der Pilgrims geschrieben. Es war aber nicht meine Absicht irgendwelche großen Veränderungen zu machen. Mein Plan war dass, das Album eine Fortsetzung vom unserem Demo sein soll. Die Produktion klingt vielleicht anders aber ich will, dass jede Aufnahme ihre eigene Identität hat und ich möchte auch dass die nächste Aufnahme anders klingt.
Gumpf: Wenn man als Band eine Zeit lang zusammen gespielt hat wächst man natürlich auch zusammen. Es macht das Schreiben neuer Songs einfacher wenn man die individuellen Stärken der Musiker kennt – was natürlich auch einen Einfluss auf den Sound hat. Glücklicherweise hatten wir bisher keine Änderungen in unserem Lineup und ich hoffe das bleibt auch so.
Die Produktion von „Subcutaneous Tomb“ wird als „perfekt produziert“ beschrieben und erzeugt dennoch ein rohes, fauliges Klangbild. War das eine bewusste Entscheidung, um Atmosphäre zu schaffen? Und in welchem Maß hat dieser Produktionsansatz eure künstlerische Vision geprägt? In einem Umfeld, das oft technische Virtuosität oder reine Brutalität betont: Wie definiert ihr Originalität im extremen Metal?
Gumpf: Originalität liegt für mich ganz beim Individuum – man muss einfach seine eigene Vision umsetzen. Äußere Einflüsse wie Produktionsmöglichkeiten sind da zweitrangig und meistens eher den Umständen geschuldet. Man muss einfach mit den Dingen arbeiten die man zu Verfügung hat.
Zu „The Depths of Lividity“ gibt es ein Musikvideo. War dieses Video konzeptuell bereits während der Komposition im Kopf, oder hat sich die visuelle Idee erst später entwickelt?
Gumpf: Wir haben das Konzept für das Video erst ausgearbeitet als der Song schon geschrieben war. Meiner Ansicht nach wäre dass auch die richtige Reihenfolge – das Video soll ja den Sound unterstützen und nicht umgekehrt. Unser Filmprofi Christian hatte dabei viel wertvollen Input – und jede Menge Kunstblut.
Neben euren eigenen Ideen nennt ihr als Einflüsse auch klassische Death-Metal-Urväter wie Autopsy oder Purtenance. Welche Bands oder Alben haben euch beim Schreiben von „Subcutaneous Tomb“ am stärksten inspiriert?
Brenton: Ja, sicher zählen Autopsy und Purtenance zu unseren Einflüssen, aber auch Adramelech, Funebre, Obituary usw. Auch neue Bands wie Mortiferum, Cerebral Rot, Vastum, Undergang, Execration oder die nihilistischen Atmosphären von Ophis. Eine lange Liste, aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass wir von diesen Bands nichts geklaut haben.
Wien ist nicht unbedingt eine Stadt, die man sofort mit klassischem Death Metal verbindet. Wie wirkt sich euer Standort auf eure Musik, eure Atmosphäre und eure Community aus? Fühlt ihr euch als Teil dieser Szene?
Brenton: Seit ein paar Jahren veranstalte ich einer meiner Freunde fast alle Death Metal Konzerte in Wien. Ich habe langsam das Gefühl, dass sich eine Death Metal Szene in Wien entwickelt, aber es gibt so gut wie keine Bands. Das wird sich nächstes Jahr ändern mit einer sehr geilen neuen Band. Aber ja, ein gesundes Interesse an Death Metal gibt es immer – wenn ich Konzerte veranstalte, kommen zwischen 60 und 100 Leute.
Ihr spielt bereits live, etwa beim „Storm of Damnation“ oder als Opener bei zahlreichen Wiener Shows. Wie wichtig ist euch das Live-Erlebnis im Verhältnis zur Studioarbeit – gerade bei solch düsterer und atmosphärischer Musik?
Brenton: Ich sehe das Storm of Damnation Konzert als wenig relevant im Vergleich zu anderen Konzerten, die wir gespielt haben. Ich meine, wir haben Killtown Deathfest in London gespielt, Sick Feast in Wolfsburg, Steel City Sorcery Festival in Linz, Kopi in Berlin, fünf Mal in Bratislava und ja, ziemlich viele Konzerte in Wien – unter anderem mit Incantation, Black Curse, Concrete Winds, Ascended Dead usw. Live spielen ist für uns ganz wichtig, wir sind eine echte Band und meiner Meinung nach muss eine echte Band viel live spielen. Live ist natürlich eine andere Situation im Vergleich zum Studio oder im Proberaum. Oft ist der Sound auf der Bühne nicht so optimal oder es gibt andere Probleme. Aber genau deswegen finde ich live spielen geil. Es ist einfach ein super Gefühl wenn man trotz schlechter Voraussetzungen ein gutes Konzert abliefern kann. Das ist Metal für mich.
Beim Hören eurer Songs hat man manchmal das Gefühl, einem morbiden, zerfallenden Schauspiel beizuwohnen. Gibt es philosophische oder literarische Inspirationen hinter der Art, wie ihr eure Stücke inszeniert?
Brenton: Ja – Human Acts von Han Kang, A little Life von Yanagihara, oder die Gedichte von Sylvia Plath haben mich beeinflusst obwohl das inzwischen vielleicht ein Klischee ist. Auch auch die Klassiker wie Frankenstein, Dracula und philosophische Ideen von Camus waren Einflüsse.
Wenn ihr „Subcutaneous Tomb“ als eine Reise betrachten würdet – was wäre das Ziel dieser Reise? Ein Grab, ein Neubeginn oder etwas Unvorhersehbares?
Brenton: Ich sehe das ganze nicht als eine Reise, weil es kein Konzept Album ist und wir als Band keine Botschaft haben die jeder verstehen muss um die Musik zu mögen. Aber ja das Endergebnis bei jedem Song ist der Tod – das verbindet die Lieder.
Welchen Einfluss hat dein australischer Hintergrund, Brenton, auf die Band – sowohl musikalisch als auch persönlich? Und wie unterscheiden sich für dich die australische Metal-Szene von der österreichischen? Wie fühlst du dich als Death-Metal-Musiker in Wien?
Brenton: Ich wohne seit 2013 in Europa und seit 2017 in Wien. Ich habe einen Großteil meines Lebens in Europa verbracht und fühle mich hier mehr oder weniger zuhause. Es ist eine komplizierte Frage, mit der ich mich stundenlang beschäftigen könnte aber grundsätzlich ist es ein vielfältiges Gefühl. Es ist nicht immer leicht die ganze Zeit eine Fremdsprache sprechen zu müssen und mich als Ausländer zu fühlen. Vor allem am Anfang war es richtig schwierig weil mein deutsch noch schlecht war, aber mittlerweile kenne ich viele Leute und ich habe ein gutes Leben hier. Ich bin aus Brisbane und kenne die Szene dort nicht mehr. Als ich dort war, waren viele Thrash und Black Metal Bands aktiv aber inzwischen kann ich über die Szene dort nicht mehr viel sagen.
Wenn wir ganz an den Anfang zurückgehen: Wie begann eure persönliche Reise im Metal? Was hat euch speziell zum extremen Metal hingezogen, und welche Bands oder Künstler haben euch am stärksten geprägt?
Brenton: Ich glaube für mich war es Opeth, ich habe sie auch der Watershed tour damals gesehen und fand sie super. Danach ich habe jahrelang Death ohne Ende gehört obwohl ich die Band jetzt eigentlich nicht mehr so mag – nicht weil ich Death zuviel angehört habe sondern weil mich die Musik einfach nicht mehr so anspricht.
Gumpf: Ich hatte in jungen Jahren durch Zufall „Breed to Breath“ von Napalm Death im Radio gehört – danach war für mich eigentlich alles klar. Die Brachialität und Emotionsstärke vom extreme Metal lässt einen einfach nicht mehr los – man braucht immer mehr davon.
Und wie sahen eure frühen Schritte als Band aus?
Brenton: Die Band hatte nie das line-up gewechselt, was eine Glücksache ist. In dem Sinne funktioniert die Band jetzt genau wie am Anfang.
Zum Abschluss: Die letzten Worte gehören euch. Möchtet ihr noch etwas hinzufügen – eine Botschaft an eure Hörerinnen und Hörer, einen Gedanken zum Album oder etwas, das euch wichtig ist?
Brenton: Hört euch unser neues Album an! Und danke fürs Interresse.

