Interview mit Sascha Blach (THE HALO TREES, EDEN WEINT IM GRAB)

Interview mit Sascha Blach (THE HALO TREES, EDEN WEINT IM GRAB)

Sascha blach
Photocredit: Andy Mikusch

Zuerst: Es gilt noch immer die Ansage, mit der ich vor kurzem unser „S.O.S….save our scene!“-Special eingeleitet habe: „Corona, du Oaschloch!“ Und das wird auch noch ’ne Zeit so bleiben. Leute, die wirtschaftlich auf der sicheren Seite leben, stehen ja MusikmacherInnen gegenüber, die derzeit arg vom Leben gebeutelt werden. Mein persönlicher Eindruck ist – wenn ich digital so mein Ohr an die Szene lege -, dass es schon ein Bewusstsein der Metal-Gemeinde dafür gibt, aber auch dass dies im dicken Social-Media-Wulst von Twitter, Instagram und Fratzenbuch strukturell bedingt untergeht. An dieser Stelle möchte ich dann gleich das Wort an Sascha Blach von THE HALO TREES und EDEN WEINT IM GRAB übergeben, den wir in dieser Situation befragt haben.

Peter: Hallo Sascha! Das sind ja schwierige Zeiten, gerade für KünstlerInnen wie Dich, die derzeit weder touren noch auftreten können. Daher zuerst: Wie geht es dir denn, wie ist denn derzeit Deine Situation in Berlin, bist du unter „Quarantäne“?

Sascha Blach: Wir sind ja alle irgendwie unter Quarantäne und wenngleich man mit seiner „Kernfamilie“ zum Einkaufen oder Spazieren darf, empfinde ich die Situation schon als erdrückend. Bandproben, Konzerte oder Treffen mit Freunden gehen derzeit ja auch nicht. Andererseits arbeite ich seither im Home Office, daher hat sich auf der Ebene nicht viel für mich geändert. Und ich habe glücklicherweise auch einen großen Teil meines Studios zuhause, sodass ich hier jederzeit arbeiten kann, wenn zeitlich mal eine Lücke ist.

P: Danke. Könntest Du uns – so als ein Beispiel des Künstlers derzeit- , natürlich nun wenn du möchtest, sagen, was genau diese momentane „Coronakrise“ für Deine zahlreichen musikalischen Projekte bedeutet? Kurz: Wie ernst ist die Lage denn und was erwartest du in den nächsten Wochen und Monaten für dich als Musik-Kreativer?

S: Wir hatten das Glück, dass das Timing unserer Eden Weint Im Grab-Tour so günstig war, dass wir diese Anfang/Mitte Februar abgeschlossen hatten. Im Grunde haarscharf bevor die Krise dann richtig losging. Man muss ja fast sagen, dass wir „glücklicherweise“ nicht auf Einnahmen aus der Musik angewiesen sind und die Lage daher gerade eher entspannter als andere sehen können. Aber wir fragen uns gerade auch, ob solch eine Tour zum nächsten Album nochmal möglich sein wird, denn es ist absehbar, dass die Krise gerade viele kleinere Clubs ihre Existenz kosten wird.

Ich denke, die großen Acts werden schon weiterhin einen Weg finden, ihre Shows auf die Bühne zu bringen und Magnete für die Massen sein. Aber bei den kleinen Bands, wo die Kalkulation schon in der Vergangenheit haarscharf war, wird es künftig vermutlich noch schwieriger, wenn sich der Markt weiter gesund schrumpft und das Geld der Konsumenten aufgrund der Wirtschaftskrise noch weniger locker sitzt – was sich dann wiederum auch negativ auf die Labelbudgets für kleine Bands auswirkt.
Ich möchte mir gerade noch nicht ausmalen, wie der Musikmarkt in 1-2 Jahren aussehen wird, aber ich befürchte, dass die Kluft zwischen wenigen großen Acts, die damit noch gut Geld verdienen, und sehr vielen Hobbymusikern, die mehr investieren als sie einnehmen und es immer schwieriger haben, überhaupt ein paar Leute zu erreichen, noch weiter auseinander gehen wird. Keine rosigen Aussichten und man muss schon eine große Leidenschaft an den Tag legen, um in diesem schwierigen Business immer weiter dran zu bleiben – aber das tun wir.

P: Ich bin ja in meinem „Brotberuf“ Historiker und seit dem 18. Jahrhundert gibt es den berühmten Begriff des „Gesellschaftsvertrags“, der etwas umgenützt auch bedeutet, dass man in einer Gemeinschaft gegenseitig auf sich schaut und Solidarität institutionalisiert und wirklich lebt. Wenn man das auf die derzeitige Situation der Musik- und Metalszene bezieht, siehst du in der derzeitigen Krise auch eine Chance, dass sich etwas positives im Sinne eines neuen „Gesellschaftsvertrags“ ergibt? Soll heissen kann es eine Chance sein, dass die so viel beschworene Szene-Loyalität wieder wächst? Wenn ja, welche Formen könnte und sollte das denn haben? Was brauchen KünstlerInnen derzeit?

S: Das wäre schön. Aber ich sehe da ein paar Probleme. Zum einen wird das Geld künftig sicherer nicht lockerer sitzen, da gerade viele ihre Jobs verlieren oder in Kurzzeit gehen müssen. Da haben Luxusgüter wie Musik als Erstes das Nachsehen. Zum anderen wird der Musikmarkt seit Jahren gefühlt immer größer und größer, weil die Möglichkeiten Musik zu produzieren und zu vertreiben stark demokratisiert wurden und günstiger denn je sind.

Das hat zu einem riesigen Konkurrenzkampf geführt und ich habe den Eindruck, dass viele Konsumenten auch einfach gesättigt sind. Sie werden sicher ihre Lieblingsbands, die oft schon jahrelang existieren und eingesessen sind, unterstützen, so gut sie können. Aber für neue Bands macht es die neue Lage nicht einfacher. Und Plattformen wie Spotify, wo Millionen Alben auf Knopfdruck für ein paar Euro verfügbar sind, haben die Notwendigkeit, Geld für Musik auszugeben, eben auch fast obsolet gemacht.

Ich glaube, die Entwicklung wird fortschreiten und durch die Corona-Krise eher schlimmer als besser werden. Aber es ist wie es ist. Grundsätzlich fände ich es schön, wenn der Staat für alle jene, die beispielsweise regelmäßige Veröffentlichungen, Touren oder dergleichen nachweisen können, eine Art Grundeinkommen zur Verfügung stellen würde. Natürlich auch für andere Kunstbereiche. Das wäre ein großer Segen für die Kulturlandschaft, aber ich befürchte, dass das ein Wunschtraum bleiben wird. Zumindest wurden ja aktuell unbürokratische staatliche Hilfen für Freiberufler und kleine Unternehmen in der Krise versprochen. Wie unbürokratisch diese tatsächlich sind, kann ich indes nicht beurteilen.

P: Kommen wir zu Deinen aktuellen, spannenden Projekten. Neben Eden weint im Grab (Bandcamp: https://eden-weint-im-grab.bandcamp.com), die ja kürzlich auch ein neues Album veröffentlicht haben und tourten, ist ja The Halo Trees (Bandcamp: https://thehalotrees.bandcamp.com) dein aktuelles „Baby“. Ich habe in der Vorbereitung des Interviews Euer letztes Jahr erschienenes Album „Antennas To The Sky“ anghört, coole Scheibe!. Eigentlich bin ich aus der Metal-Fraktion, aber die dunkle Atmosphöre, die in melancholische Sounds gepackt ist, passt doch sehr gut zu schwierigen Zeiten. Erzähl mal, was treibst Du da so mit den Halo Trees? Und was habt ihr noch vor?

S: Wir haben kürzlich einen neuen Song veröffentlicht, in dem wir die Corona-Krise ganz direkt verarbeiten. Mich haben die Entwicklungen so mitgenommen, dass ich das Bedürfnis hatte, sie künstlerisch zu reflektieren. Der Song heißt ‚Covid-19 (Song Of Compassion)‘ und ist eine melancholische Ballade. Hörbar via Spotify, Youtube, Bandcamp, Amazon, iTunes etc.

Wir beziehen in dem Song keine klare Stellung, weil ich es schwierig finde, sich eine Meinung zu bilden angesichts der vielen sich widersprechenden Informationen. Es ist einfach ein Einfangen des Zeitgeists mit allen Ängsten, Zweifeln und dem Wunsch nach Normalität. Der Song soll wie eine musikalische Umarmung sein. Ein Zeichen, dass wir alle im selben Boot sitzen. Als ich die Idee hatte, gab es noch keine Corona-Songs. Bevor wir unseren Track, der übrigens außer der Reihe veröffentlicht wird und auf keinem Album zu finden sein wird, fertiggestellt hatten, waren andere Bands dann doch schneller. Aber was solls.
Ansonsten arbeiten wir wann immer wir können am zweiten The Halo Trees-Album, das schon relativ weit gediehen ist. Es fehlen noch ein paar Bass-Tracks und Mixe. Ich singe diese Songs seit Monaten in Gedanken vor mich hin und bin davon überzeugt, dass es eines meiner besten Alben bis dato wird, aber das denken Musiker vermutlich immer.
Ich brenne jedenfalls drauf, es mit der Welt zu teilen. Aber angesichts der Krise ist es gerade schwer, die Veröffentlichung festzuzurren, da wir den Release mit einer Tour verbinden wollen, was gerade unmöglich zu planen ist. Eden Weint Im Grab pausiert nun nach der Tour erstmal. Da werden wir sehen, wann es weitergeht. Ich schätze in ein, zwei Jahren. Unterdessen produziere ich aktuell auch noch zwei Alben von Projekten, in die ich nur als Produzent involviert bin: Sataninchen und Cosma Nova arbeiten jeweils am zweiten Longplayer.

P: Bleiben wir noch kurz bei diesem Projekt. Mir fiel auf, dass die Texte durchgängig sich eher auf Beziehungsthemen und persönliche Erfahrungen zu beziehen scheinen. Die Atmosphäre ist ein bisschen wie bei The Cure – zumindest in meine, Hören. Gibt es ein textliches Konzept hinter dem Projekt und Album? Könnte man sagen, bewusst zugespitzt, bei Ewig geht es um morbiden Charme, bei den Halo Trees um die schöne Traurigkeit?

S: Ich würde zustimmen, dass The Halo Trees persönlicher ist. Es ist nicht 1:1 jeder Text als das Privatleben von Sascha zu lesen, aber ich verarbeite da schon viele eigene Erfahrungen und Gedanken, wenn auch poetisiert. Bei Eden Weint Im Grab ist es eher so, dass wir alle in Rollen schlüpfen – daher auch die Pseudonyme – und eine Art dunkles Theater zelebrieren. Natürlich färbt der eigene Geschmack und die Art zu formulieren immer auch die Lyrics, aber für mich ist Eden Weint Im Grab eher eine Geschichtenerzählen.

Das kann sich mal mit meinem persönlichen Gefühlsleben decken, ist oft genug aber auch einfach nur einer blühenden Fantasie geschuldet. Es ist einfach eine ganz andere Welt, die wir mit Eden Weint Im Grab erschaffen. Als würde ich tagsüber in ein Filmstudio gehen und dort mit allerlei Kulissen, Masken, Schminke und Effekten eine faszinierende Parallelrealität im Breitwandformat erschaffen und dann wieder nach Hause gehen und dort mein reales Leben mit The Halo Trees reflektieren.

Das soll es aber nicht bewerten. Es hat beides seinen Reiz und ich möchte keines missen. Ein textliches Konzept gibt es bei The Halo Trees nicht, aber wiederkehrende Themen scheinen irgendwie Städte vs. Natur, die Sinnsuche im Leben und Beziehungen. The Cure ist keiner meiner direkten Faves, aber auch nicht der schlechteste Vergleich!

P: Danke Sascha, dass Du Dir Zeit genommen hast und viel Erfolg für die aktuellen Projekt, die Qualität stimmt auf jeden Fall!. Möchtest Du uns noch irgendwas mit auf den Quarantäne-Weg geben, dass Dir am Herzen liegt?

S: Ja, wie immer freue ich mich über jeden, der mal in meine/unsere Musik hört. Sowohl Eden Weint Im Grab als auch The Halo Trees gibt es mannigfaltig auf diversen Kanälen im Netz sowie auf CD und Vinyl. Ansonsten wünsche ich einfach allen Menschen alles Gute. Es sind schwere Zeiten, die wir so alle noch nicht erlebt haben, die uns viel abverlangen. Bleibt stark, bleibt kritisch und bleibt gesund, wo immer Ihr seid und wie immer Eure individuelle Situation ist! Danke für das Interview!

Interview mit Sascha Blach (THE HALO TREES, EDEN WEINT IM GRAB)

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