SPLINTERED IN WINTER Tour,
Cradle Of Filth, Suffocation, Mélancolia, Naraka
20.11.2025, SiMM City Wien
Große Namen auf dem Poster des Abends: Cradle Of Filth als eine der prägendsten Bands zwischen Symphonic-, Black- und Gothic Metal, dazu als Special Guests die brutal-technischen Death-Metal-Legenden Suffocation sowie die Newcomer Mélancolia und Naraka. Ein multigenres Abend, aber einer, der viel Energie versprach. Organisiert von Barracuda Music und Mind Over Matter.
NARAKA
Mit großer Skepsis, denn das Album Anfang des Jahres war wenig überzeugend. Dennoch erhielten die Franzosen NARAKA den Opener-Slot eines relativ großen Konzerts – und man durfte gespannt sein, ob sie live mehr abliefern. In einer noch fast leeren SiMM City trat Tour-Drummer Jo Darlington vor das Publikum und verbeugte sich. Eine sympathische Geste, die sofort Nähe erzeugte.

Musikalisch starteten sie dann überraschend aggressiv, deutlich weniger melodisch als erwartet. Man kennt die Band eigentlich als stark melodisch geprägtes Projekt, doch hier zeigte sie ein völlig anderes Gesicht: ein roher, bewusst unsauberer Gesamtsound. Genau das, was auf dem Album störte, setzte sich live fort – keine Fehlleistung der Technik, sondern offensichtlich eine gewollte klangliche Entscheidung. Die Vocals dagegen lagen sauber im Mix, und Théodore Rondeau zeigte als Frontmann eine starke Leistung: permanent in Bewegung, seine Growls wirkten zu Beginn gut und wirkungsvoll.
Trotz geringer Zuschauerzahl spielte die Band professionell weiter, und schließlich bewegte sich der Stil wieder in jene melodischen Gefilde, die man von NARAKA kennt. Doch viele dieser melodischen Passagen wirkten kompositorisch seltsam eingeklebt, ohne organische Übergänge. Die vielen Breaks erschwerten jedes Headbanging, die meisten Besucher schauten eher zu, anstatt wirklich mitzugehen. Modern – ja, aber musikalisch wenig überzeugend. Langsame Abschnitte wirkten undefiniert, weder melodisch noch aggressiv – schlicht unglücklich gewählt für einen Liveset.
Bei „Blazing Sun“ waren die Clean-Vocals deutlich daneben. Ein Problem, das auf dem Album bereits auffällt, live jedoch noch störender wird. Viel Dramatik, viel Pathos – aber wenig Substanz. Auch kam es mehrfach zu kleineren Unsicherheiten zwischen Instrumenten und Vocals, etwas, das unerfahrenen Bands live eben passieren kann. Die letzten Songs entschärften den schlechten Gesamteindruck immerhin etwas: nur Growls und Screams, solide Rhythmen und eine klarere melodische Linie.
Live so enttäuschend wie auf dem Album – kein gelungener Auftakt. Der Sound war okay, die Musik erwartbar, aber immerhin war das Publikum inzwischen aufgewärmt und bereit für die nächsten Bands.
MÉLANCOLIA
Die Deathcore-Band aus Melbourne begann mit einem langen elektronischen Intro. Im März bereits gesehen, zeigt sich die Band nun deutlich gereifter. Neues Album, neue Optik – musikalisch derselbe knallharte Deathcore mit starken Tempowechseln, Geschrei, hohen Screams und theatralischer Inszenierung.

Jetzt in Weiß gekleidet, die Gesichter bemalt, fast mit einer Zirkus-Anmutung. Musikalisch stark, aber die Show ist noch beeindruckender, ein Mix aus Choreografie, Szenografie und theatralischer Überzeichnung. Das Publikum, inzwischen zahlreicher, reagierte positiv.
Zwischen den Songs wirkten sie völlig normal, doch während des Sets war alles durchinszeniert – fast zu viel Drama. Musikalisch boten sie ein Set ausschließlich aus dem zweiten Album: komplexer, atmosphärischer, mit Stücken wie „All_Is_Rust“, „Icanseethroughtheholesinmyhands“, „Lithia“ oder „Random.Access.Misery“. Hohe Screams, Clean-Vocals, Growls – alles dabei. Alex Hill beeindruckte als Sänger und zentrales Aushängeschild. Kompositorisch wie technisch stark.
Die Verbindung zum Publikum war gut, doch die Beteiligung blieb zurückhaltend. Viele waren klar wegen der anderen Bands da. Mélancolia sind für ihr Genre sehr stark und haben Potenzial für eine große Karriere. Aber in diesem Setting passte die Mischung der Stile nicht optimal – ein guter Auftritt, aber sichtbar nicht für dieses gesamte Publikum gemacht.
SUFFOCATION
Eine seltsame Verbindung zwischen Mélancolia und SUFFOCATION: Auch die letzte Europatour bestritten sie gemeinsam, und schon damals wirkte die Mischung aus brutalem/technischem Death Metal und melodischen bzw. deathcore-nahen Bands etwas merkwürdig. Denn was nun auf dem Programm steht, ist reiner brutaler Death Metal – vorgetragen von den Amerikanern aus Long Island, New York, die zu den prägendsten Vertretern dieser extrem aggressiven Spielart zählen.

Während des ersten Sets und auch davor waren die Jungs von SUFFOCATION im Publikum oder draußen anzutreffen, freundlich plaudernd mit jedem. Sympathische Haltung, sehr bodenständig, offen, nahbar. Ein bemerkenswerter Kontrast zu ihrer Musik, die einem regelrecht die Sinne angreift: tief gestimmte Gitarren, eine majestätische, zugleich bedrohliche Rhythmussektion, scharfe, durchdringende Solos und bellend vorgetragene, von Wut und Raserei durchzogene tief grollende Vocals.
Der Saal ist inzwischen fast voll, und die Interaktion mit der Musik wird spürbar intensiver; der Moshpit formiert sich sichtbar – was bei SUFFOCATION ohnehin dazugehört. Eine so kraftvolle Musik, so präzise und akkurat auf die Bühne gebracht. Und mit Songs wie „Pierced from Within“ oder „Effigy of the Forgotten“ steigt die Energie weiter.
Vom aktuellen Album spielen sie lediglich zwei Stücke, „Seraphim Enslavement“ und „Perpetual Deception“. Der Rest der Setlist basiert auf den frühen Alben – jenen Werken, die als Klassiker gelten und zugleich den Grundstein für Brutal Death Metal als Genre gelegt haben.
SUFFOCATION gehören zu den Giganten des Genres, und jede ihrer Shows besitzt eine eigene, besondere Intensität. Sie sind professionelle Musiker mit enormer Erfahrung, und das zeigt sich in jeder Sekunde ihres Auftritts. Terrance Hobbs, einzig verbliebenes Gründungsmitglied, glänzt mit seinen Soli, seinem konzentrierten, präzisen Spiel; Derek Boyer beeindruckt mit seiner markanten Bühnenpräsenz, schwenkt seinen Bass in alle erdenklichen Positionen, ohne dass der Druck aus dem Fundament jemals nachlässt. Das neueste Bandmitglied, Sänger Ricky Myers, liefert äußerst präzise ab, seine Growls fügen sich perfekt in den Gesamtsound ein. Gleichzeitig ist er ein guter Entertainer, sucht den Kontakt zum Publikum und versteht es, die Menge in Bewegung zu bringen.
Die letzten Songs – „Liege of Inveracity“ mit seinem perfekt synchronisierten Rhythmus oder „Infecting the Crypts“ mit den einprägsamen Soli – dürfen in keinem SUFFOCATION-Set fehlen. Zu wichtig, zu sehr geliebt, zu definierend für ihren Sound. Gewaltige Musik, eine enorm dichte Klangwand und eine hoch technische Darbietung. Eindrucksvoll.
Zwar ist dies bereits ihr drittes Konzert in Wien seit Veröffentlichung von „Hymns from the Apocrypha“, doch jede Show besitzt ihren eigenen Charakter – und die Energie, die sie durch ihre Musik freisetzen, bleibt beeindruckend.

CRADLE OF FILTH
Die Detailverliebtheit bei der Bühnengestaltung war beachtlich. Eine Mitarbeiterin richtete zwanzig Minuten lang millimetergenau die Hintergrundbeleuchtung aus – unzufrieden, korrigierend, zurückkehrend, erneut justierend. Perfektionismus in Reinform.

Dann war es so weit: Dani Filth und seine Musiker betraten die Bühne. Nach einer kurzen, choreografierten Einführung begann der Abend mit „To Live Deliciously“, dessen dramatische Vocals und melodische Akkorde live deutlich schwerer und dichter wirkten als auf dem Album. Der Sound wirkte massiver, härter – gleichzeitig gingen manche der vielschichtigen Ebenen verloren. Live bot die Band eine direktere, aggressivere Version ihrer Songs. Auch Dani klang anders: seine markanten Höhen fehlten zunächst fast völlig.
Die Reaktion des Publikums war begeistert. Mit permanent wehenden Haaren fand Dani langsam in seine Form. Der erste Gesamteindruck war klar: Die Songs klangen live wie eine schwerere, verdichtete Version, weniger filigran, weniger ornamental, dafür roh und eindringlich.
Trotz der lang diskutierten bandinternen Konflikte war musikalisch nichts davon spürbar. Letztlich ist Dani der einzige wirklich unersetzliche Fixpunkt.
„How Many Tears to Nurture a Rose?“ kam so viel härter als auf dem Album, dass man das Stück kaum wiedererkannte – ein Eindruck, der für fast alle neueren Songs galt. Die ältere Ära funktionierte live deutlich besser. Danis Dualität aus tiefen Screams und hohen Schreien prägte den Gesamtsound, ergänzt durch geflüsterte Passagen für zusätzliche Dramatik.
„Nymphetamine (Fix)“, einer ihrer größten Klassiker, wurde entsprechend gefeiert. Der Song ist live immer ein Höhepunkt und wirkte nun noch emotionaler. „White Hellebore“ dagegen fiel live eher ab, der Refrain wirkte repetitiv und im Set etwas verloren.
Die neuen Clean-Vocals von Kelsey Peters, live dabei, funktionierten besser als ihre Vorgängerinnen – weniger vampirisch, emotionaler und stimmiger für die aktuelle Ausrichtung. Der Schwerpunkt der Setlist lag klar auf älteren Songs – sehr zur Freude jener, die die moderne Phase weniger mögen. Dani kommentierte das mit trockenem Humor: Man spiele heute vom besten Album überhaupt – vom „Best of“. Ein Scherz, aber passend vorgetragen.
Der Abschluss gehörte den frühen Werken: „Funeral in Carpathia“, der klar schwarzmetallischste Moment des Abends, sowie „Death Magick for Adepts“ und „Her Ghost in the Fog“ rundeten das Konzert ab. Hits, Klassiker, entscheidende Songs der Bandgeschichte. Und Dani stimmlich auf den alten Stücken auch stärker und sicherer.
Ein gutes, ausgewogenes Konzert, das die verschiedenen Epochen von CRADLE OF FILTH vereinte: melodisch und brachial zugleich.

Setlist
01. To Live Deliciously
02. Demagoguery
03. Nocturnal Supremacy
04. Malignant Perfection
05. The Principle of Evil Made Flesh
06. How Many Tears to Nurture a Rose?
07. Nymphetamine (Fix)
08. White Hellebore
09. Bathory Aria
10. Funeral in Carpathia
11. Death Magick for Adepts
12. Her Ghost in the Fog

