into the dark – chapter 1: GRAUFAR, PARENTAL ADVISORY, GHIDRAH, ZERLEGER, AMNYON 24.05.2025 – ((szene)) Wien
Ein Abend in der Szene Wien, der ein rein österreichisches Line-up präsentierte – eine Einführung in neue Underground-Acts ebenso wie ein Wiedersehen mit bereits etablierten lokalen Bands.
Ob das „Chapter 1“ im Titel auf eine regelmäßige Fortsetzung solcher Events hindeutet? Wünschenswert wäre es allemal.
Veranstaltet wurde das Konzert von den Vereinigten Österreichischen Musikförderern.
AMNYON
Sie selbst beschreiben sich mit dem Satz: „Musik als Stressabbau wird zur Musik für Stressabbau“ – nicht nur in offiziellen Texten, sondern auch mehrfach auf der Bühne, was klar macht, wie ernst sie dieses Motto nehmen.
Musikalisch bietet AMNYON eine äußerst eklektische Mischung: Von Rap-beeinflusster Straßenmusik über Metalcore, Deathcore bis hin zu diversen Metal-Spielarten – eine klare Kategorisierung ist schwer. Was live allerdings sofort auffällt: Sie spielen mit Wut, Energie und roher Aggression.
Die junge Wiener Band ist zwar noch relativ neu, aber mit wachsender Präsenz in der lokalen Szene unterwegs. Sänger und Frontmann bezeichnet sich selbst augenzwinkernd als „ganz normaler Typ aus der Umgebung“, was eine ehrliche Verbindung zum Publikum herstellt – und das reagiert prompt: Headbanging und ausgelassener Jubel bereits zu Beginn des Sets.
Live klingen AMNYON deutlich roher als auf ihrem Debütalbum A Scapegoat for a Throne, das übrigens jedem Genre-Fan wärmstens zu empfehlen ist. Die Studioproduktionen wirken stilistisch klarer und geschliffener, doch live punkten sie mit Leidenschaft, Energie und einer dynamischen Performance.
Wenn auch der Klargesang live nicht ganz überzeugen kann, so sind die Growls und gutturalen Screams umso kraftvoller. Der Frontmann springt, schreit und tobt über die Bühne, während die Band ein aggressives Soundfundament liefert – und so nach und nach das Publikum in der Szene Wien auf ihre Seite zieht. Gegen Ende wird es grooviger, langsamer – aber nie weniger intensiv.
Ein starker Opener, der zeigt: Leidenschaft zählt oft mehr als Technik. Sie haben die Halle aufgewärmt, für Stimmung gesorgt und gezeigt, dass sie es ernst meinen.
ZERLEGER
Ebenfalls aus Wien stammend, treiben die vier Musiker ihr Projekt bereits seit Jahren voran und starteten 2022 offiziell unter dem Namen Zerleger.
Und hier gibt es: Death Metal. Punkt.
Solide Riffs, gutes Tempo, aggressive Shouts. Der Bass sticht besonders hervor. Musikalisch stimmt hier vieles – es lädt zum Headbangen ein.
Viele Freunde der Band waren im Publikum, das wurde schnell klar. Zwischen den Songs mit eben diesen Freunden zu plaudern, Witze zu reißen und interne Späße zu machen, wirkte jedoch unprofessionell. Die restlichen Zuschauer fühlten sich übergangen – was schade ist, denn man stand nicht nur für den Freundeskreis auf der Bühne, sondern für ein paar Hundert Menschen.
Musikalisch hingegen: starke Technik, vor allem bei Gitarren- und Bass-Solos.
Dass dann auch noch über langhaarige Metaller gewitzelt wird, war – freundlich formuliert – ein Griff ins Klo. Das ist kein Humor, das ist respektlos und absolut fehl am Platz auf einem Metalkonzert.
Der Innenhof war während ihres Sets stark gefüllt – offenbar fühlten sich viele draußen wohler. Die Stimmung, die AMNYON zuvor aufgebaut hatten, wurde nicht gehalten. Der Frontmann forderte permanent „fuckin Headbanging“, doch das Publikum blieb zögerlich. Vielleicht wäre es klüger gewesen, etwas über die Wortwahl nachzudenken, um Sympathie zu gewinnen.
Musikalisch war es dennoch ein solides Set. Klassischer Death Metal, technisch versiert, besonders gegen Ende mit einem starken Solo. Trotz allem konnte man gegen Ende eine etwas gesteigerte Publikumsreaktion feststellen.
GHIDRAH
Die Metalcore-Band aus Wiener Neustadt wurde 2017 gegründet. Ihr Sound lässt sich ebenso als Modern Metal oder Groove Metal bezeichnen. Das Debütalbum Repulse erschien im Frühjahr 2023.
Rap-Einflüsse ziehen sich deutlich durch ihre Musik – aber auch durch die Bühnenpräsenz, vor allem des Sängers. Überraschenderweise handelt es sich dabei nicht um den eigentlichen Sänger der Band – der stieg nur wenige Tage vor dem Gig aus. Eine schwierige Situation, die die Band jedoch professionell meisterte. Bandfreund Ted sprang ein – und machte einen großartigen Job.
Nach dem ersten Song kam es zu technischen Problemen, die jedoch zügig behoben wurden. Viel Gerede zwischen den Songs – diesmal aber humorvoll und publikumsnah. Der Sänger animierte das Publikum freundlich, nach vorne zu kommen – der Saal war zwar noch halb leer, viele blieben draußen, aber das Eis begann zu tauen.
Brutale, progressive Riffs, aggressive Drums, melodische Refrains – GHIDRAH zeigen ihre Wurzeln im Modern Metal. Wieder einmal ein herausragender Bassist. Die Songs sind abwechslungsreich, rhythmisch stark und mitreißend. Das Schlagzeug punktet mit präziser Doublebass, die Vocals mit kräftigen, rausgespuckten Versen.
Gegen Ende des Sets dann: der erste Circle Pit des Abends. GHIDRAH hatten das Publikum gewonnen – verdient. Ihre Musik kam an, der Funke sprang über.
PARENTAL ADVISORY
Für viele der Anwesenden war dies der eigentliche Headliner des Abends: PARENTAL ADVISORY, eine der prägendsten lokalen Death-Metal-Bands – wenn nicht die wichtigste überhaupt. Gegründet 1997, mit vier Alben im Gepäck, die sowohl bei Fans als auch Kritikern überaus positiv aufgenommen wurden.
Sic, Otto und Marathon bilden seit Anbeginn das Herz der Band. Brutaler und kompromissloser Death Metal aus Wien, der sowohl in Clubs als auch auf Festivalbühnen überzeugt. Seit 2022 sitzt Ramiz hinter dem Schlagzeug. Neben zahlreichen Shows im In- und Ausland arbeitet die Band derzeit an neuem, längst erwartetem Material – eine Veröffentlichung ist für 2025 geplant.
PARENTAL ADVISORY sind bekannt und geschätzt für ihre musikalische Qualität – und der Unterschied zu den vorherigen Bands war sofort hör- und spürbar. Sie spielen in einer anderen Liga.
Sic überzeugte mit vielseitigen Vocals – von tiefen Growls über Pig Squeals bis hin zu schrillen Screams. Marathon am Bass lieferte eine beeindruckende Performance ab – druckvoll, technisch stark und mit enormer Bühnenpräsenz. Zusammen mit Otto und Ramiz ein perfekt eingespieltes Team. Brutal, routiniert, gnadenlos – eine musikalische Dampfwalze auf höchstem Niveau.
Der Rhythmus war gnadenlos, die Kompositionen vielschichtiger als bei den vorherigen Bands. Marathon übernahm zusätzlich zweite Vocals – eine willkommene musikalische Ergänzung. Mit seiner Präsenz auf der Bühne – ständig in Bewegung, oft ganz nah am Publikum – unterstrich er den Draht zur Crowd.
Die Energie blieb über das gesamte Set konstant hoch. Die Szene war jetzt gut gefüllt – viele waren genau für diese Band gekommen, eine der beliebtesten Death-Metal-Formationen Wiens.
Mit „H.F.C.“ endete das Set – ein absoluter Publikumsliebling und Headbanger-Garant. Die Zuschauer wollten mehr, doch nun war Zeit für den (offiziellen) Headliner.
Ein musikalisch und performativ starkes Set, professionell umgesetzt und mit vielen Songs, die das Publikum restlos begeistert haben.
GRAUFAR
GRAUFAR wurde Ende 2020 in Linz gegründet und ist seit 2022 regelmäßig auf Konzert- und Festivalbühnen unterwegs. Ihr selbstveröffentlichtes Debütalbum Scordalus erschien 2024. Inhaltlich beschäftigt sich das Werk mit gesellschaftskritischen Themen, menschlicher Abgründigkeit und persönlichen Erfahrungen. 2024 gewann die Band den Wacken Metal Battle Austria – ein Meilenstein in ihrer noch jungen Geschichte.
Musikalisch kombiniert die Band Black Metal mit Elementen aus dem Death Metal und einer Prise Melodik. Klassische Black-Metal-Screams werden immer wieder durch tiefe Growls ergänzt. Das Black-Metal-Erbe ist dabei unverkennbar – Corpsepaint und okkulte Symbolik gehören selbstverständlich zum Auftreten.
Ihr Set begann atmosphärisch – doch schon bald dominierten solide Riffs, kreischende Vocals und typische Black-Metal-Soli. Der Sound entwickelte sich in Richtung Blackened Death Metal – ein stimmiges, eigenständiges Klangbild. Die Band weiß genau, was sie will, und setzt dies mit Überzeugung um.
Obwohl relativ neu auf dem Radar, bestehen GRAUFAR aus erfahrenen Musikern, die bereits in anderen Projekten aktiv waren. Technisch anspruchsvoll, komplexe Strukturen, durchdachte Arrangements – das Niveau war hoch. Einige Songs waren von Folk-Elementen durchzogen – eine interessante Erweiterung ihres Klangspektrums.
Besonders auffällig: die kraftvollen Backing Vocals, die teils noch dominanter wirkten als der Hauptgesang. Doch auch die infernalischen Schreie des Frontmanns passten perfekt zur düsteren Stimmung – beide Gesangsarten ergänzten sich hervorragend. Die Gitarrensoli waren ein weiterer Höhepunkt des Auftritts.
Im Laufe des Sets steigerte sich die Intensität. Infernalischer Rhythmus, ein massiver Soundwall – beeindruckend. Der Soundmix war glasklar und kraftvoll.
Kein Wunder also, dass GRAUFAR in Österreich viele Fans hat. Live wissen sie zu überzeugen – mit Leidenschaft, Können und einem ausgeprägten Gespür für Atmosphäre.
Insgesamt wirkte der Abend fast wie ein großes Samstags-Treffen unter Freunden – und genau in diesem Sinne war das Konzert ein voller Erfolg.
Die Tontechniker leisteten hervorragende Arbeit, und auch das Lichtdesign war bemerkenswert.
Die Wiener – und generell die österreichische – Metalszene lebt. Und dieser Abend war ein weiterer Beweis dafür.