FLESHVESSEL – Obstinacy: Sisyphean Dreams Unfolded

cover artwork FLESHVESSEL Obstinacy: Sisyphean Dreams Unfolded

Band: FLESHVESSEL 🇺🇸
Titel: Obstinacy: Sisyphean Dreams Unfolded
Label: I, Voidhanger Records
VÖ: 12/12/25
Genre: Experimental Death Metal

Bewertung:

2,5/5

FLESHVESSEL kehren mit ihrem zweiten Album zurück. Nach einem bereits kontrovers aufgenommenen Debüt gehen sie mit „Obstinacy: Sisyphean Dreams Unfolded“ noch einen Schritt weiter. Es ist eine Fortsetzung, eine Zuspitzung – und zugleich ein weiterer Vorstoß tief in experimentelle Gefilde.

Exotische Instrumente, Dissonanz und theatrales Übermaß

Wie zu erwarten, beginnt das Album mit exotischen Instrumenten als kurzem Intro, bevor mit „Mental Myiasis“ ein vollkommen dissonanter Death Metal einsetzt – oder zumindest etwas, das formal noch als solcher bezeichnet wird. Es entfaltet sich eine chaotische Sammlung ungewöhnlichster Klänge. Nicht einmal der Versuch, alle eingesetzten Instrumente eindeutig zu identifizieren, erscheint sinnvoll: Zu dicht ist die Abfolge, zu kurz ihr jeweiliger Einsatz. Einzelne Klänge tauchen für Sekundenbruchteile auf, verschwinden wieder.

Dazwischen stehen vergleichsweise solide Riffs, extrem tiefe Growls, gedoppelt von verzweifelten, hochfrequenten, fast karnevalesk wirkenden Schreien. Die Musik ist stark theatralisch aufgeladen, lebt von permanenten Brüchen zwischen irren Geräuschen und simplen, strafenden Riffstrukturen. Diese münden schließlich in gesprochene Passagen und opernhafte Gesänge, die plötzlich ruhig und verlangsamend wirken.

Unzweifelhaft ist das alles experimentell – sowohl in der Komposition als auch in der Art des Ausdrucks. Dennoch fühlt man sich weniger, als würde man Musik hören, sondern eher wie in einem bizarren Theater oder Zirkus. Hochgradig dissonant, insgesamt klar kakophonisch. Klanglandschaften wechseln ständig, jede melodische Idee bleibt nur für Sekunden bestehen, bevor sie durch etwas vollkommen anderes ersetzt wird. Atonale Strukturen, minimal mit Metal angereichert, ergänzt durch surreale und häufig unangenehme Gesangslinien.

FLESHVESSEL stammen aus Chicago, Illinois, und wurden 2019 gegründet. Involved sind ausschließlich sehr erfahrene Musiker: Sakda Srikoetkhruen (Electric/Acoustic Guitars, Bass, Phin), Gwyn Hoetzer (Flute), Alexander Torres (Electric Guitar, Viola, Puerto Rican Cuatro, Puerto Rican Tres, Backing Vocals, Synthesizers/Atmospheres, Saw, Metal Spatula, Maracas, Sleigh Bells, Rainstick), Troll Hart (Keyboards/Synthesizers, Piano, Vocals/Oration, Recorder) sowie Colin MacAndrew (Drums, Triangle, Chimes). Die bloße Liste der eingesetzten Instrumente ist beeindruckend – und tatsächlich sind all diese Elemente integraler Bestandteil der Musik.

Am“ beginnt etwas kohärenter – mit Violinen, ungewöhnlicher Perkussion, später Flöten und anderen Blasinstrumenten, die erneut das Bild eines Theaterraums oder eines abstrakten Soundtracks entstehen lassen. Einer der musikalisch greifbareren Momente des Albums, mit deutlichen Referenzen an frühe progressive Rock-Ansätze. Doch auch hier kehrt bald die Disharmonie zurück: hektisch, teilweise unangenehm, unkoordiniert wirkend. Über gut fünfzehn Minuten entfalten sich disparate Klangfragmente, über denen eine hexenhaft anmutende Gesangsstimme schwebt. Seltsam – aber nicht ohne interessante Einzelmomente.

Gute Produktion kann Chaos nicht retten

Die Produktion ist klar und ausgewogen, trotz der extremen Unterschiedlichkeit der Klangquellen. Alles bleibt hörbar, nichts verschwimmt. Angesichts der Vielzahl an Instrumenten und permanent wechselnden Texturen ist das eine beachtliche Leistung. Die Bizarrheit des Albums ist kein Produktionsproblem, sondern eine bewusste Folge der Kompositionen. Hier wurde nichts zufällig zerstört – das Chaos ist arrangiert. Lyrisch knüpft die Band, wie schon beim Debüt, an Referenzen zur griechischen Mythologie an.

Mit „Cessation Fixation“ kehren ruhigere Passagen zurück – sofern man in diesem Kontext überhaupt von Ruhe sprechen kann. Hohe, infernale Schreie dominieren zunächst, ehe das Stück in langsamere, doomig wirkende Strukturen kippt. Es gibt Versuche kohärenter Akkordfolgen, die jedoch rasch wieder aufgeweicht werden. Der Gesamteindruck erinnert stärker an modernen Jazz, zeitgenössische Symphonik oder progressive Kompositionsansätze als an klassischen Metal.

Der Abschlusstrack „It Lurched From A Chasm In The Sky“ bleibt vollständig im theatrale Rahmen. Sopranartige Gesänge, kurze Keyboard-Passagen im Hammond-Stil, jazzaffine Cabaret-Vocals, moderne Musikfragmente – all das wirkt nach der vorherigen klanglichen Tortur beinahe deplatziert. Nur vereinzelte, in der Ferne liegende Riffs erinnern noch daran, dass dieses Album offiziell als Death Metal firmiert. Exotische Perkussion, tribale Rhythmen, disparate und fragmentierte Klänge kehren zurück. Ungewöhnliche Musik – aber ein in sich stimmiger Abschluss für ein ebenso ungewöhnliches Album.

Virtuosität, Überforderung und fehlende Zurückhaltung

Unbestreitbar handelt es sich um exzellente Musiker, um Profis mit enormem technischen Können und höchst komplexen Kompositionen. Das Endergebnis jedoch ist weit entfernt von einem angenehmen Hörerlebnis. Zu viele Klanglandschaften in zu kurzer Zeit, melodische Fragmente, die sofort von meist unangenehmen Geräuschen überrollt werden. Die Gesänge sind dabei besonders polarisierend: Opernhaft, zirzensisch, clownesk – entweder man akzeptiert diese Ästhetik oder lehnt sie vollständig ab. Ob bewusst falsch gesetzt oder als extremes Falsett gedacht, dämonisch und hexenhaft sind sie zweifellos.

Ein Blick auf das Line-up und die Instrumentierung vermittelt bereits eine ungefähre Vorstellung der akustischen Überfülle. Eigentlich sollte sich die Band nicht primär als Death Metal positionieren – es gibt andere Genres, in denen diese Musik schlüssiger verortet wäre. Death Metal, Black Metal und Jazz Metal blitzen nur punktuell auf. Insgesamt handelt es sich um technisch anspruchsvolle, stark expressive progressive Musik.

Progressive Rock beschreibt das Material deutlich präziser, mit klaren Referenzen an frühe Genesis (Gabriel-Ära), King Crimson oder sogar Pink Floyd – sowohl strukturell als auch in ihrer stilistischen Grenzüberschreitung. Die Einflüsse sind hörbar, doch es fehlt die Zurückhaltung, die diese Vorbilder auszeichnete. Entweder mangelt es an Maß, oder an einem ordnenden Geist, der diese Exzesse lenkt.

Als Hörerfahrung ist das Album interessant, herausfordernd – aber kaum etwas, zu dem man freiwillig zurückkehrt. Nichts bleibt wirklich im Gedächtnis: keine Melodie, keine wiedererkennbare Akkordfolge. Begriffe wie delirierend, kreative Besessenheit oder kontrollierter Wahnsinn treffen den Kern dieser Musik recht genau.

Fazit: FLESHVESSEL treiben ihre Erkundung bizarrer Klangräume weiter voran, verlieren dabei jedoch eine geschlossene, tragende Gesamtaussage aus dem Blick.

Tracklist

01. Mental Myiasis
02. Am
03. Cessation Fixation
04. It Lurched From A Chasm In The Sky

Besetzung

Alexander Torres – Electric Guitar, Viola, Puerto Rican Cuatro, Puerto Rican Tres, Backing Vocals, Synthesizers/ Atmospheres, Saw, Metal Spatula, Maracas, Sleigh Bells, Rainstick
Sakda Srikoetkhruen – Electric/ Acoustic Guitars, Bass, Phin
Troll Hart – Keyboards/ Synthesizers, Piano, Vocals/ Oration, Recorder
Gwyn Hoetzer – Flute
Colin MacAndrew – Drums, Triangle, Chimes

Musical Guests:
Chad Moore – Clarinet, Bass Clarinet (Track 1)
Kai Movagh – Daf (Track 4)
Dan Saillant – Bassoon (Track 3)
Hannah Goldenstein – Vocals (Track 4)

Internet

FLESHVESSEL – Obstinacy: Sisyphean Dreams Unfolded CD Review

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