Harpyie – Blutbann
Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht währ…
Mittlerweile Album Nummer sechs (mit dem Coveralbum sind es gar sieben) der Ostwestfalen rotiert im Abspielgerät des Rezensenten und auch nach acht Umrundungen wirkt es, um vorerst diplomatisch zu bleiben, nicht in allen Belangen rund.
An der Musik, welche solide bis sehr gut daherkommt (auch wenn diese bei HARPYIE schon mal eigenständiger war) läßt sich dabei nicht viel bekritteln, obwohl man sich unter anderem bei Blutadler, Nachtfalter, Verräterisches Herz und Fang mich ein fragt, wer eine TANZWUT – Kopie braucht. Andererseits erwecken Die Geister die ich rief, Vampir und Okkult leichte Erinnerungen an die prägnanten ersten drei INGRIMM – Werke. Und das ist in der Tat etwas, was Potenzial hätte, wenn, ja wenn…
Epische Katastrophe und semantische Farce
… einen so manch lyrischer Erguß erspart werden würde. Und dabei könnte ich mich als Klugscheißer schon am hier ernsthaften Umgang mit dem Begriff „dunkelschwarz“, welcher eigentlich eine scherzhafte bis seinen Gegenüber verächtlich machende Umschreibung für „tiefschwarz“ ist, aufhängen. Zumal mir hier sogar der von mir verachtete moderne Duden da beisteht, was eher selten vorkommt.
Davon einmal abgesehen, daß man ein Racheritual wie den Butadler durchaus in den Kontext verzweifelter und unbeantworteter Liebe bringen kann, Plattitüden wie „Ich Liebe Dich, ich hasse Dich“ im sonst eher verschwurbelten Verräterisches Herz machen den gelungenen Ansatz nur wenig später zunichte.
Auch ob Zeilen wie „Schwarzer Tod in mеiner Hand geistert mordend durch das Land, erst die Stille, dann ein Schrei, liegst Du da wo einst mein Denkmal stand“, wie es hier geschieht,
ein Gefühl der Unbeschwertheit erzeugen und mir die Lust im Reigen tanzen zu wollen vermitteln sollen, bezweifele ich strickt aufgrund der Thematik in Angst im Wald.
Wenn Du denkst, Du bist dicht…
Es wäre sogar verschmerzbar, doch nach wirklich tollen Meisterwerken der Dichtung wie unter anderem „schwarz wie die Nacht, so stand ich da, als wir uns sah`n zum allerersten Mal…“ (hä?), „Deinen Herzschlag will spür`n, will dein heißes Blut gefrier`n, ich bin das Dunkel, bin die Nacht, die Leidenschaft die Leiden schafft…“ (huhu!) und „wenn Du mich küßt und alles etwas leichter ist“ (oho!!!) kaufe ich Okkult irgendwie nicht. Es könnte aber auch an der nicht beabsichtigt persiflierten Themenumsetzung in besagtem Liede liegen, wer weiß.
Bitte, bitte…
Der gesunde Metal – Anteil gefällt in der Tat sehr, musikalisch abwechslungsreich bewegt man sich zwischen (halb)balladesken, rockigen und metallischen Songs durchaus gekonnt. Aber nach fünf Alben wäre, wie bereits erwähnt, etwas mehr und nicht weniger Profil wünschenswert.
Denn frühe Saltatio Mortis, Tanzwut und Ingrimm sowie das oberflächliche wie unauthentische Durchstreifen des Gothic Rocks reichen nicht aus, um sich von der Masse abzuheben.
Auch wenn hier nicht alles ein lyrisches Desaster ist, so daß man sich durchgehend die Hände auf die Lauscher schlägt, bis diese bluten, ist der Anteil verträglicher Texte mit Blutadler, Nachtfalter und Fang mich ein zu gering.
Wer der deutschen Sprache nicht mächtig oder schmerzfrei ist, wer seine Germanistikarbeiten lieber gendert statt das Studium abzubrechen, darf die Note allerdings gerne verdoppeln.
Mein Tip an HARPYIE:
Besorgt Euch einen Textschreiber oder singt über Koks, Nutten und andere alltägliche Dinge, am besten noch in englisch. Oder ihr macht ein Instrumentalalbum, denn handwerklich ist die Musik wie beschrieben alles andere als schlecht. Aber bitte, bitte versucht es nicht mehr mit dem Anspruch eines Dichters!
Oder, um die fleischgewordene Manifestierung der Aphorismen, Wieslaw Brudzinski, zu zitieren:
„Schlechte Gedichte wären noch zu ertragen, würden sie nicht so viele schlechte Rezensionen provozieren.“
Tracklist
01. Blutadler
02. Angst im Wald
03. Liebe auf den ersten Biss
04. Die Geister die ich rief
05. Dunkelschwarz
06. Nachtfalter (feat. ASP)
07. Verräterisches Herz
08. Fang mich ein
09. Wir sind die Nacht
10. Vampir
11. Okkult
12. Ich glaub dir nicht
Besetzung
Aello – Gesang
Brian – Drehleier
Podargo – Gitarren
Jean – Bassgitarre
Kayran – Schlagzeug