Die in Stockholm ansässige Band LEPRA präsentiert mit Mortuus Morgana ihre erste EP – zumindest offiziell. Denn ursprünglich wurde das Werk bereits vor einem halben Jahr in Eigenregie veröffentlicht. Offenbar mit so viel Wirkung, dass nun ein Label auf den Plan trat, um das Debüt gebührend neu aufzulegen.
Wut und Aggression
Schon mit dem Opener „Where Despair Has Made Its Home“ legt die Band kraftvoll los: Eine doomgeschwängerte Atmosphäre, wuchtige Riffs und bald ein hohes Tempo mit unerbittlichem Drumming. Die Vocals dringen aus der Tiefe des Mixes, growlend und schreiend, während Hardcore-Einflüsse klar durchscheinen – vor allem in der Haltung und in der rohen Wut, mit der LEPRA zur Sache gehen. Der Sound ist dicht, aggressiv und direkt. Kein Spiel mit Nuancen, sondern eine klare Faust in die Magengrube. Dennoch überrascht der Song nach dem Refrain mit einem ambienten Zwischenteil, ruhiger und fast schon nachdenklich. Ein starker Auftakt.
Die Produktion ist roh, ganz in der Tradition des Crust Punk – nicht Hochglanz, sondern Haltung zählt. Und die ist in jeder Sekunde spürbar. Die tief im Mix liegenden Vocals bleiben dennoch präsent und prägen den Gesamtsound. Der Bass ist kaum zu vernehmen, vieles bewegt sich im mittleren Frequenzbereich. In den ruhigen Passagen wird der Sound klarer, beinahe zart. Man sucht bewusst nach Kontrasten – und setzt diese überzeugend um.
Eine wütende Klangexplosion
„In Silence She Lay Still“ beginnt ungewohnt melodisch und langsam, klar auf der post-black-metal-lastigen Seite der Band, mit erkennbarem Rhythmus und starken Riffs. Das Arrangement ist deutlich komplexer. Doch kaum ist die Einleitung vorbei, bricht sich die Raserei Bahn. Eine wahre Klangexplosion! Tempowechsel im Minutentakt, immer wieder abrupt. Der Song ist deutlich dissonanter und chaotischer als der Opener – und zeigt ein beeindruckendes Maß an Kreativität. Alles ist ständig im Wandel, von melodischen Momenten zu verzerrten Attacken, von ruhigen Abschnitten zu wütenden Eruptionen. Die gequälten Vocals setzen dem Ganzen die Krone auf. Viele starke Momente, aber insgesamt wirkt der Song fast zersplittert – wie ein Puzzle aus Extremen.
LEPRA wurden 2023 gegründet, und Mortuus Morgana ist ihr Debüt. Offizielle Mitglieder sind F.F. (Gitarre), G.M. (Schlagzeug) und N.S. (Gesang), wobei Letztere bereits auf Erfahrung aus anderen Bands zurückgreifen können. Doch so ganz sicher ist die Besetzung nicht: Offiziellen Bandfotos zufolge gibt es vier Silhouetten – möglicherweise also ein weiteres, bisher ungenanntes Mitglied.
Aggressive Vocals und erdrückende Klangwucht
„Morning Mist Horizon“ bringt erneut eine atmosphärische Klanglandschaft – Naturgeräusche, akustische Gitarren. Ein kurzes, rein instrumentales Stück, das – entgegen der Erwartung – ruhig bleibt, ohne plötzlichen Ausbruch, ohne Riffs, ohne Wut.
Die kehren jedoch mit voller Wucht im finalen Stück „Endless Crimson Dawn“ zurück. Mit erneuerter Rage in Stimme und Sound. Die Drums peitschen nach vorn, die Riffs schlagen unbarmherzig zu, während die dämonischen Schreie diesmal alles überragen. Die düstere Atmosphäre entsteht hier nicht durch Geschwindigkeit, sondern durch schwere, tiefgestimmte Riffs und erdrückendes Klangbild. Erst gegen Ende wird das Tempo angezogen, die Musik melodischer. Ein emotionales Stück, fast schon ein Opus – und definitiv ein Höhepunkt der EP.
Eine komplexe und experimentelle Reise durch verschiedene Klangwelten
LEPRA zeigen Haltung – musikalisch und emotional. Diese EP ist eine Reise durch verschiedene Extreme: von rasender Wut bis zu zerbrechlicher Atmosphäre, von doomigen Dissonanzen bis zu chaotischem Crust. Kurz, aber intensiv.
Manches ist sehr experimentell, und doch bleibt die EP als Ganzes kohärent – nicht unbedingt stilistisch, aber auf emotionaler Ebene. Man hört, dass hier echtes Gefühl hinter der Musik steht. Selbst die brutalen Ausbrüche ergeben im Gesamtbild Sinn. Musikalisch vielschichtig, mit einigen sehr starken Momenten – und einigen verstörenden. Ein spannendes Debüt.
Fazit: Ein solides Debüt von LEPRA, das rohe Wut und emotionale Tiefe vereint. Stilistisch vielfältig und atmosphärisch dicht.
Tracklist
01. Where Despair Has Made Its Home
02. In Silence She Lay Still
03. Morning Mist Horizon
04. Endless Crimson Dawn
Besetzung
F.F – Guitars
G.M – Drums
N.S – Vocals

