SIGH – I Saw the World’s End – Hangman’s Hymn MXXV

cover artwork SIGH I Saw the World’s End – Hangman’s Hymn MXXV

Band: SIGH 🇯🇵
Titel: I Saw the World’s End – Hangman’s Hymn MXXV
Label: Peaceville
VÖ: 13/06/25
Genre: Avant-garde/Black Metal

Bewertung:

5/5

Die Meister des Wahnsinns SIGH haben sich entschieden, ihr Meisterwerk Hangman’s Hymn – Musikalische Exequien neu aufzunehmen. Natürlich hat sich die Band seit der Originalveröffentlichung stark verändert, doch diese Neuinterpretation scheint mehr als bloße Nostalgie zu sein – es steckt eine tiefere Idee dahinter.

Einzigartiger, unverkennbarer Sound

SIGH verschmelzen seit jeher traditionelle Elemente des Black Metal mit symphonischen Klanglandschaften, ungewöhnlichen Instrumenten und einem ausgeprägten Sinn für das Theatralische. Bereits 2001 mit Imaginary Sonicscape hatten sie ihren markanten Sound gefunden – ein Sound, der sie nicht nur zur besten Black-Metal-Exportband Japans machte, sondern zu einer der eigenständigsten Formationen des Genres überhaupt.

Die Produktion von I Saw the World’s End – Hangman’s Hymn MXXV ist selbstverständlich makellos. Und das muss sie auch sein – denn die verschachtelten, teils surrealen Klangwelten dieser Band verlangen nach Transparenz und Präzision. Alles ist kristallklar, nichts übersteuert oder zu leise, die Balance stimmt bis ins letzte Detail.

Gerade im Vergleich zur Originalversion ist die neue Produktion der entscheidende Unterschied. Was damals roh, flach und stellenweise fast matschig klang – und damit dem damaligen Black-Metal-Ideal entsprach – bekommt nun eine neue Dimension der Klarheit. Vor allem Gitarren und Gesang profitieren enorm. Natürlich wird dieser Zugang vielen Puristen missfallen – aber das ist zweitrangig. Denn: Das Original existiert weiterhin, diese Version öffnet nur eine neue Tür.

Ein neues Leben für denselben Wahnsinn

Viele, die das Original lieben, schätzten gerade die Unausgewogenheit des Mixes: dominante Keyboards, kaum hörbare Gitarren und Bass, eine gewisse Klangverschiebung, die den Wahnsinn perfekt einfing. Wer genau das erwartet, wird enttäuscht. Doch für neue Hörer*innen ist dieser Zugang vielleicht der bessere. Die Musik bleibt dieselbe – die Verpackung ist eine neue.

Wie schon damals ist das Album eine wahnsinnige Reise. Extrem dynamische Riffs, komplexe Orchestrierungen, ein Überfluss an Ideen. Melodie im klassischen Sinn findet man selten – dafür umso mehr Atmosphäre. SIGH sind nach wie vor die unberechenbaren Außenseiter aus Fernost. Doch der Wahnsinn klingt nun geerdeter, fokussierter – und vielleicht sogar näher an dem, was sich Mastermind Mirai Kawashima ursprünglich vorgestellt hatte.

Apropos: Mirai ist das Herz der Band – verantwortlich für Keyboard, Programming und Gesang, seit der Gründung 1990 gemeinsam mit Satoshi Fujinami (Bass, Gitarre, Perkussion). Das heutige Line-up besteht neben Mirai aus Junichi Harashima (Drums), Mika „Dr. Mikannibal“ Kawashima (Saxophon, Gesang) und Nozomu Wakai (Gitarre).

Musik wie ein Fiebertraum – und doch exakt durchkomponiert

Musikalisch bleibt alles beim Alten – und das ist gut so. Die Songs wurden nicht verändert, aber durch die neue Produktion gewinnen sie an Tiefe und Intensität. Anders als bei Gallows Gallery, wo lediglich das Mastering überarbeitet wurde, handelt es sich hier um eine komplette Neuaufnahme – ein Herzensprojekt Mirais, dem er nur mit dem aktuellen Line-up gerecht werden konnte.

Die Musik ist wie ein Karussell aus Klängen: zirkusartige Passagen wechseln sich mit infernalischen Black-Metal-Riffs und Schreien ab. Eine verstörende, mitunter groteske Klangoper, die Bilder erzeugt und Gefühle transportiert. Bei jedem Hören entdeckt man neue Details – nun mehr denn je.

Highlights wie „Inked in Blood“, „Me-Devil“, „The Memories As A Sinner“ oder „Death With Dishonor“ stechen zwar heraus – aber das Album funktioniert wie ein Gesamtkunstwerk. Das Konzept erzählt von den letzten Gedanken eines Sünders, bevor der Boden unter seinen Füßen nachgibt – und der Strick sich zuzieht.

Ein Werk voller Wiedererkennung und Überraschung

Ein besonders spannender Aspekt sind die wiederkehrenden musikalischen Motive – mal kurze Akkorde, mal ganze Passagen. Das verleiht dem Werk Geschlossenheit und Tiefe. Die Komposition wirkt dadurch wie ein einziger großer Spannungsbogen.

Mirais Gesang ist roh, expressiv und intensiv. Die Gitarren bleiben wie früher im Hintergrund – keine Gitarrenherrschaft, keine Solo-Orgie. Dafür treten Drums und Bass deutlich stärker in den Vordergrund als im Original. Und natürlich: der Saxophon-Kontrast von Dr. Mikannibal, die Orgeln, das Piano, die Chöre – all das ergibt zusammen ein dichtes, komplexes Klangbild.

Dieses Album beeindruckt nicht nur durch seine Komplexität, sondern vor allem durch die emotionale Wucht seiner Atmosphäre. Die surreale Stimmung von damals ist vollständig erhalten geblieben – nur dass man sie jetzt noch klarer greifen kann.

Es ist ein Album, das Gerechtigkeit erfährt: Für Puristen bleibt das Lo-Fi-Original. Für alle anderen gibt es nun eine transparente, kraftvolle und klare Version, die zeigt, was in diesen Songs von Anfang an steckte.

Fazit: Wahnsinn neu definiert: SIGHs Meisterwerk klingt jetzt so klar, wie es immer hätte klingen sollen.

Tracklist

01. Introitus / Kyrie
02. Inked In Blood
03. Me-Devil
04. Dies Irae
05. The Master Malice
06. The Memories As A Sinner
07. Death With Dishonor
08. In Devil’s Arms
09. Overture
10. Rex Tremendae / I Saw The World’s End
11. Salvation In Flame / Confutatis
12. Finale: Hangman’s Hymn / In Paradisum / Das Ende

Besetzung

Mirai Kawashima – Keyboards, Programming, Flute, Vocals
Mika “Dr. Mikannibal” Kawashima – Saxophone, Vocals
Nozomu Wakai – Guitars
Satoshi Fujinami – Bass, Guitars, Percussion
Junichi Harashima – Drums

Internet

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