KARG – Interview

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Interview: Michael J.J. Kogler Fotos: Aleksandar Kos

Nach der Rezension zu Marodeur hatten wir die Gelegenheit, mit Michael J.J. Kogler, dem Kopf hinter KARG, ein ausführliches Gespräch zu führen. Interviews mit der Band sind selten – umso mehr freuen wir uns, dass dieses Gespräch zustande gekommen ist. Denn KARG steht nicht nur für musikalische Tiefe und persönliche Texte, sondern auch für eine konsequente künstlerische Vision. Umso spannender war es, mehr über die Entstehung von Marodeur, den kreativen Prozess und die Entwicklung der Band zu erfahren.

Glückwunsch zum neuen Album Marodeur! Es ist ein beeindruckendes Werk geworden – bist du mit dem Ergebnis zufrieden?

J.J:  Danke für die netten Worte. Generell bin ich sehr zufrieden wohin sich das Album entwickelt hat. Ich finde das ist immer noch die typische Karg Note trägt aber trotzdem auch etwas Neues darstellt und irgendwie ungezügelter und frischer klingt. Nachdem ich mit diesem Projekt nun nahezu 20 Jahre die Egoschiene gefahren bin, weiß für mich an der Zeit dem Ganzen eine neue Richtung zu geben. Deshalb bin ich, wie gesagt sehr zufrieden wie sich das Ganze entwickelt hat.

cover artwork KARG MarodeurMarodeur ist dein erstes Album, das in enger Zusammenarbeit mit einer festen Band entstanden ist. Wie hat sich dieser kollektive Entstehungsprozess im Vergleich zu früheren Alben angefühlt?

Natürlich war mir von Anfang an klar dass dieses Album anders klingen wird als die Alben zuvor. Das war aber auch der Sinn der Sache. Es ist nicht so, dass ich keine Inspiration mehr für neue Songs gehabt hätte und deswegen meine Band Kollegen ins Boot geholt habe, Ich wusste aber, dass sie definitiv frischen Wind mit dem Songwriting bringen, und dem Ganzen einen neuen Anstrich verleihen würden. Und mir war klar, wenn das neue Album als Kollektiv entstehen sollte, dass ich dabei sicherlich einige Kompromisse eingehen muss. Diese Kompromisse waren aber weit weniger als ich anfangs vermutet hatte. Wir haben sehr schnell herausgefunden wie das Songwriting für uns am besten funktioniert, jeder seinen Teil dazu beitragen kann und wir am Ende alle mit dem Ergebnis zufrieden sind. Nicht nur deshalb sehe ich diese Entwicklung als eine sehr positive, und ich denke, dass wird diesen Prozess auch für das nächste Album beibehalten werden Punkt

Wie läuft der kreative Prozess bei KARG ab? Entstehen zuerst die Texte, die Musik – oder ist es eher ein fließendes Zusammenspiel aus beidem?

Das verläuft gleichzeitig parallel aber auch unabhängig voneinander. In beiden Fällen, das heißt nun die Musik oder der lyrische Ansatz, mache ich mir über die Monate und teils Jahre Notizen und arbeite diese später aus. In dem Fall habe ich meine Notizen schon in der Frühphase mit den anderen geteilt und so konnten wir diese gemeinsam aus- und In den neuen Songs verarbeiten. Was die Texte betrifft, so mache ich mir ebenfalls viele Notizen, sortiere diese später nach Qualität aus und sortiere sie nach Themenschwerpunkten. Am Ende erfolgt eine Feinanpassung an die Musik und ihre Rhythmik so das eines in das andere übergehen kann.

Viele Hörer empfinden eure Live-Auftritte als besonders intensiv. Die vielschichtigen Melodien wirken live noch kraftvoller. Ist das für dich auch ein anderer emotionaler Raum als das Studio?

Ich bin generell eher nicht so der Studio Mensch. Ich liebe es kreativ zu sein, an neuen Songs zu arbeiten und natürlich auch sie später live zu performen. Die Energie die dabei live entsteht, ist aber natürlich eine andere als die im Studio wo man ein Instrument nach dem anderen einspielt. Das Studio ist somit für mich eher notwendiges Übel. Aber wie du schon sagst, live kommt die Symbiose aus den unterschiedlichen Gitarrenmelodien nochmal besser zur Geltung. Deshalb würde ich gerne wenn möglich sogar mehr Gigs mit Karg performen, da sich die Songs auf der Bühne immer nochmal besser anfühlen. Ja

In deiner Musik treffen zarte Melodien auf harsche, verzweifelte Schreie – dieser Kontrast ist ein Markenzeichen von KARG. Suchst du diese Gegensätze bewusst oder entstehen sie intuitiv?

Ich suche diesen Kontrast nicht bewusst, es ist aber ein netter Nebeneffekt der dadurch entsteht. Ich denke aber dass Gefühle wie Wut, Trauer oder Schwermut alle eine melancholische Grundkonstante besitzen und sich deshalb gegenseitig in die Hände spielen. Natürlich finde ich es aber auch interessant, dass so etwas wie Schreigesang der eigentlich eher eine ausladende Natur hat, gleichzeitig aber auch etwas Schönes und Verletzliches innewohnt.

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Photo Credit: Aleksandar Kos

Deine Texte wirken sehr persönlich und tiefgründig – sind sie eher Ausdruck innerer Zustände oder entstehen sie aus konkreten Lebenssituationen?

Sowohl als auch. Ich würde die Texte von Karg prinzipiell schon als autobiografisch bezeichnen. Generell tue ich mir schwer, über Dinge zu schreiben die ich nicht selbst erlebt oder gefühlt habe. Ich denke, das verleiht dem Ganzen eine sehr persönliche und individuelle Note. Natürlich verpacke ich meine Texte gerne in Metaphern um etwas Interpretationsspielraum zulassen. Für mich persönlich erzählen Sie aber ganze Geschichten.

Gibt es lyrische oder literarische Vorbilder, die dich beim Schreiben beeinflussen? Oder schöpfst du rein aus deinen eigenen Gedanken und Gefühlen?

Das ist schwierig zu sagen, da die Literatur mit der ich mich auseinandersetze nicht unbedingt in eine poetische Richtung geht. Einer meiner Lieblingsschriftsteller ist Charles Bukowski, und der ist jetzt nicht unbedingt dafür bekannt seine Texte in Metaphern zu verpacken. Deshalb sind meine Texte, wie bereits gesagt, eher persönlicher Natur und spiegeln meine eigenen Gedanken und Erlebnisse wieder.

Auch musikalisch ist KARG kaum in eine Schublade zu stecken – man hört Black Metal, Post-Rock, Shoegaze und mehr. Welche musikalischen Einflüsse haben dich besonders geprägt?

Ich muss sagen, dass die beiden Genres Black Metal und Post Rock mich als Musiker wahrscheinlich am meisten geprägt haben. Ich habe aber immer schon auch viele andere Gitarrenmusik gehört, angefangen bei Indierock, Grunge oder auch den Rock der 70er Jahre. Angefangen habe ich mit Hardcore und Punkrock, bis dann Anfang der 00er Black Metal in mein Leben getreten ist. Danach war ich viele Jahre ein ziemlicher Black Metal Purist bis dann Ende der 00er Post Rock in mein Leben getreten ist. Band wie IF THESE TREES COULD TALK oder THIS WILL DESTROY YOU haben mir damals eine ganz neue Welt eröffnet. Später kamen dann moderne Hardcore und Screamo Bands wie MODERN LIFE IS WAR, DEFEATER oder TOUCHE AMORE dazu. Generell will ich mich diesbezüglich aber nicht allzu festlegen, da ich fast allen Atem von Gitarrenmusik etwas abgewinnen kann.

Du warst in letzter Zeit extrem aktiv: Das neue Harakiri for the Sky-Album, jetzt KARG, und zahlreiche Gastauftritte – wie hältst du diese kreative Energie aufrecht?

Musik zu machen, Texte zu schreiben und mich kreativ auszudrücken ist einfach das was mir im Leben am wichtigsten ist. Deshalb fällt es mir nicht schwer dafür Zeit aufzubringen. Viele Songs oder Texte entstehen dabei über viele Jahre hinweg weshalb ich den ganzen im Normalfall genügend Zeit und Raum lassen kann. Was aber nicht heißt dass es nicht auch mal stressig werden kann, vor allem dann van Touren und Alben Releases in dieselbe Zeit fallen. Bei Gastauftritten bin ich bis auf wenige Ausnahmen meist nicht in den kreativ Prozess involviert, sondern singe die Texte die mir von der jeweiligen Band vorgegeben werden. Das erleichtert das Ganze natürlich sehr. Ich bin aber natürlich wie etwa im Fall meines Features für GROZA, auch offen dafür mich mit eigenen Texten in einen Song einzubringen.

Im Gegenzug sind auch auf Marodeur wieder einige Gastmusiker zu hören. Wie wählst du diese Kollaborationen aus?

Das passiert meist sehr intuitiv. Im Normalfall sind es Freunde oder gute Bekannte zu denen ich einen persönlichen Bezug habe und deren Gesangsstil ich schätze. Was tun von PERCHTA betrifft, so wollte ich schon immer mit einer Frau zusammen arbeiten, die mit Schreigesang umzugehen weiß. Im deutschsprachigen Raum so jemanden zu finden, war aber gar nicht mal so einfach. Bei Julie kommt noch dazu, das Tirolerisch dem Salzburgerischen in puncto Dialektform relativ ähnlich ist und das deshalb für mich eine perfekte Symbiose ergab. Wie schon gesagt kommen die Gastmusiker bei Karg meist aus meinem persönlichen Umfeld, wie etwa auch Marko von SVNTARER der einer meiner besten Freunde ist, und in dessen Band ich zur Zeit auch Live-Bass spiele. Etwas ganz Besonderes war für mich auf diesem Album die Kollaboration mit meinem Vater, welcher auf „Schnee ist das Blut der Geister“ einen Klavierteil beigesteuert hat Punkt. Und was Klara von FIRTAN betrifft, so war sie sowieso an beinahe jeder Karg Veröffentlichung in den letzten Jahren beteiligt und ich denke, das wird sich wohl auch in Zukunft nicht ändern.

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Photo Credit: Aleksandar Kos

Gibt es einen Song auf Marodeur, der dir persönlich besonders viel bedeutet – vielleicht auch einer, den du live besonders gerne spielst?

Meine Lieblingssongs auf Marodeur sind Annapurna und Yūgen. Das kann sich mit der Zeit aber natürlich noch ändern. Zweiteren haben wir auf unserer letzten Tour bereits live gespielt und er macht sich sehr gut im Set. Ich würde auch gerne Annapurna live performen, das wird jedoch durch die Geigen die sich durch den ganzen Song ziehen etwas schwierig werden. Generell bedeuten mir alle Songs auf dem neuen Album extrem viel. Die beiden genannten sind aber wahrscheinlich meine persönlichen Lieblinge.

Unser Fazit zum Album lautete: „Dissonante Schönheit, hypnotischer Zorn – Marodeur ist KARGs düster-schöne Klanggewalt aus Schmerz, Tiefe und Sturm.“ Trifft das deine Intention?

Besser hätte ich es selber nicht ausdrücken können.

Fast 20 Jahre KARG – fühlst du dich inzwischen als Veteran der Szene oder ist alles immer noch ein Stück weit Neuanfang?

Ich glaube es ist irgendwo dazwischen. Szeneveteranen sind für mich etwa Bands wie DORNENREICH, ABIGOR oder SUMMONING, die mich alle 3 stark beeinflusst haben. Karg Hat seine Anfänge erst etwa 10 Jahre später im Jahr 2006, wodurch ich mich eher im Mittelfeld einordnen würde. Generell fühlt sich aber jedes Album Immer wieder wie eine Art Neuanfang an. Aber das hält das Ganze auch irgendwie interessant ansonsten würde man diese Art von Musik wohl kaum über so viele Jahre hinweg machen. 20 Jahre sind aber natürlich kein Pappenstiel, weshalb ich mich natürlich manchmal etwas alt fühle.

Du hast in der Vergangenheit viele Pseudonyme verwendet – jetzt trittst du unter deinem echten Namen auf. War das ein bewusster Schritt zu mehr persönlicher Offenheit?

Ich hatte in den letzten 20 Jahren so einige Pseudonyme und Namen. Generell war der Schritt hin nun Großteils mit meinem echten Namen aufzutreten kein bewusster. Das Ganze ging irgendwie Hand in Hand mit der Veröffentlichung meines ersten Romans Ende 2022, wo es sich einfach unnatürlich angefühlt hätte unter einem Pseudonym zu veröffentlichen. Und nachdem diesmal auch meine Mitmusiker, wie etwa Paul mit ihrem echten Namen in den Credits stehen wollten, habe auch ich mich auch In letzter Sekunde dafür entschieden.

Du lebst zwischen Salzburg, Wien und der Tour – und singst gleichzeitig im Dialekt deiner Herkunft. Fühlst du dich irgendwo wirklich zu Hause?

Ich fühle mich definitiv nach wie vor am ehesten dort zu Hause wo ich aufgewachsen bin, nämlich im Pongau und Tennengau. Und obwohl ich zur Zeit nicht mehr oder noch nicht dort lebe, versuche ich so viel Zeit wie möglich in den Bergen zu verbringen. Der Dialekt meiner Heimat war mir dabei schon immer wichtig, weil ich ihn gewissermaßen als identitätsstiftend empfinde und zeigt wo ich herkomme. Das Ganze hat für mich aber relativ wenig mit lokal Patriotismus zu tun, wenn du weißt was ich meine, er ist eben einfach ein wichtiger Teil von mir. Ich bin mir auch bewusst, dass man sich dabei sehr schnell selbst limitiert, weil natürlich die Texte dadurch von viel weniger Menschen verstanden werden als wenn ich jetzt auf Hochdeutsch singen würde, Ich selbst kann mich in meinem autochthonen Dialekt aber einfach besser ausdrücken. Vor allem wenn man so viel unterwegs ist wie ich empfinde ich es gar nicht mal so unwichtig, dass man weiß wo seine Wurzeln liegen.

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Photo Credit: Aleksandar Kos

KARG wurde lange vor allem im Ausland gefeiert – hast du das Gefühl, dass du mittlerweile auch in Österreich die verdiente Anerkennung bekommst?

Es ist auf jeden Fall besser geworden. Generell muss man aber sagen, das in Deutschland einfach der größere Markt für Bands wie Karg oder HFTS zu sein scheint, Weshalb es zumindest den Anschein hatte mehr Anerkennung aus dieser Richtung zu bekommen. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass auch die Dialektlyrik dazu geführt hat dass sich hierzulande mehr Leute mit Karg identifizieren können.

Nach dem starken Konzert Anfang des Jahres in Wien hoffen viele Fans auf ein baldiges Wiedersehen – gibt es schon konkrete Live-Pläne?

Wie gesagt, ich würde gerne weit mehr Konzerte mit Karg abspielen können, leider fehlt es uns diesbezüglich aber an konkreten Angeboten. Vor allem Wien wird dabei immer einen großen Platz in meinem Herzen einnehmen, da ich dort doch viele Jahre meines Lebens zugebracht habe, und sich jedes Konzert dort immer wie eine Art Heimspiel anfühlt.

Zum Abschluss: Gibt es etwas, das du den Hörer*innen noch mitgeben möchtest – Gedanken zum Album, ein Statement oder einfach ein paar persönliche Worte?

Ich als Künstler bin immer wieder froh, wenn sich Leute die Zeit nehmen um sich wirklich mit einem Album auseinanderzusetzen. In einer schnelllebigen Welt in der eher einzelne Singles auf Streaming Plattformen konsumiert werden ist dies längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Deshalb freut es mich umso mehr wenn dann Leute zu mir kommen um mir etwa zu meinen Texten zu gratulieren, was wohl das beste Beispiel dafür ist, dass sie sich wirklich mit unsere Musik auseinandergesetzt haben. Vielen Dank dafür.

KARG – Interview

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