
Interview mit XENOS A.D.
Ein Gespräch über Komposition, Klangarchitektur und die Wut hinter der Musik.
Wir sprachen mit Ignazio Nicastro – Bassist und Stimme der Band – über kreative Prozesse, musikalische Gewalt und den ungebrochenen Willen, mit jedem Album ein Stück tiefer zu gehen.
Zunächst einmal Glückwunsch zum neuen Album. Es ist ein echtes Monument des Extreme Metal. Würdet ihr es als Meilenstein für die Band betrachten? Wie war der Prozess im Vergleich zu euren früheren Arbeiten? Gab es besondere Herausforderungen bei der Entstehung?
Ignazio Nicastro: Vielen Dank für das Kompliment, ich freue mich sehr, dass dir unsere letzte Arbeit gefallen hat. Nun, mehr als ein Meilenstein sehe ich es als einen grundlegenden Punkt, von dem aus man neu starten kann, um es besser zu machen. Ich denke, dass „Reqviem for the Oppressor“ unser „Master of Puppets“ ist, das Album, mit dem sich die Band ihrer Stärken ebenso wie ihrer Grenzen wirklich bewusst wurde. Der Kompositionsprozess war mehr oder weniger derselbe wie bei den beiden vorherigen Alben – ich habe das Rückgrat jedes einzelnen Songs komponiert und dann alles an die Jungs geschickt. Ich muss jedoch zugeben, dass ich beim Komponieren von „Reqviem for the Oppressor“ oft zurückgeblickt habe, und sowohl „Filthgrinder“ als auch „The Dawn of Ares“ spielten eine grundlegende Rolle, um zum Endergebnis zu kommen. Dieses dritte Kapitel enthält Elemente, die in den beiden vorherigen Alben vorhanden sind, und hebt sie auf ein höheres Niveau, sei es im Hinblick auf Technik oder rohe Thrash-Gewalt.
Beim Hören des neuen Albums wirkt vieles fast schon dystopisch. Spiegelt das eure Weltsicht wider, oder ist es eher eine ästhetische Entscheidung? Seid ihr zufrieden mit der Atmosphäre und der Botschaft, die die Musik vermittelt?
Es ist absolut dystopisch und zeichnet meine Vision einer korrupten Welt, die der Selbstzerstörung geweiht ist. Ich bin sehr zufrieden mit der Atmosphäre, die das Album vermittelt – die Texte und die Musik sind zwei untrennbare Dinge, und eines muss die Ergänzung des anderen sein.
Das neue Album klingt aggressiver und technischer als eure bisherigen Werke. Würdet ihr das als natürliche Weiterentwicklung beschreiben? Ist Wut und Zorn die treibende Kraft hinter XENOS A.D.? Was befeuert diese Intensität?
Dieses dritte Kapitel enthält Elemente, die in den beiden vorherigen Alben vorhanden sind, und hebt sie auf ein höheres Niveau, sei es im Hinblick auf Technik oder rohe Thrash-Gewalt. Wahrscheinlich ist unser komplexestes Album „The Dawn of Ares“, mit diesem Album wollten wir den Kompositionen eine Identität verleihen, die dem technischen Metal der 80er-90er sehr nahekommt, „Reqviem for the Oppressor“ ist extremer, ohne Zweifel.
Habt ihr euch im Studio jemals dafür entschieden, eine emotional rohe Aufnahme einer technisch perfekten vorzuziehen?
Wir sind keine Liebhaber kalter Technik, und selbst wenn ein Song sehr komplex ist, lieben wir es immer, Teile einzufügen, die den Hörer emotional mitreißen können.
Was ist für euch schwieriger: einen perfekten Klang zu erschaffen – oder das Gefühl dahinter einzufangen?
Emotionen, ohne Zweifel. Eine echte Band muss in der Lage sein, Emotionen zu vermitteln – so oder so.
Was war aus musikalischer Sicht euer schwierigster Moment bisher – und was war der befreiendste?
Ich denke, einer der schwierigsten Momente war es, die Band nach der beschissenen Pandemie wieder auf Kurs zu bringen, der befreiendste, und ich spreche auf persönlicher Ebene, war definitiv der Schlussstrich unter meine vorherige Band.
Eure Musik wirkt oft wie ein Kampf zwischen Struktur und Chaos. Wie entsteht normalerweise ein Song von XENOS A.D.? Beginnt ihr mit einem Klang im Kopf oder startet alles mit dem Instrument?
Alles beginnt mit dem Instrument… Meine Art zu komponieren ist sehr klassisch, ich beginne mit einem Riff und entwickle daraus den Song.
Das alte Thrash-Metal-Mantra – „Ich habe ein Riff im Kopf, der Song ist fast fertig“ – hat für viele Bands immer noch Gültigkeit. Trifft das auch auf euch zu? Eure Musik ist mittlerweile viel komplexer und technischer. Seid ihr im Kern trotzdem noch eine riffgetriebene Band?
Wie gesagt, ich komponiere immer ausgehend von einem Grundriff, aber natürlich bleibe ich nicht nur bei einem Riff stehen, ahahaha.
Ist euch die technische Seite eurer Musik wichtiger als die melodische?
Beides ist wichtig, auch wenn ich nicht denke, dass es eine echte „melodische“ Seite in unserer Musik gibt. Ich würde sagen, dass es einen melodischen Anteil im Dienst des Songs gibt.
Was bedeutet Atmosphäre für euch im Metal – und wie definiert ihr sie für euch selbst? Geht es mehr um Klang, Texte, Emotion… oder etwas anderes?
Uhm, man kann Atmosphäre mit einem klassischen Arpeggio erschaffen, einen Text rezitieren oder auf das Schlagzeug einschlagen. Wichtig ist, dass die Atmosphäre etwas mitreißendes und erinnerungswürdiges ist, denn sonst hätte es keinen Sinn.
Seht ihr XENOS A.D. eher als Konzept oder Klanglandschaft – oder einfach als klassische Band?
Eine Band.

Gibt es einen gemeinsamen Nenner, der euch als Trio verbindet – musikalisch, thematisch oder philosophisch? Ihr habt das gleiche Line-up seit Beginn beibehalten. Liegt das eher an Freundschaft – oder an künstlerischer Synergie?
Drei Köpfe, die in die gleiche Richtung gehen.
Ihr seid alle auch in anderen Projekten außerhalb von XENOS A.D. aktiv. Wie schafft ihr es, alles unter einen Hut zu bringen? Ist eines der anderen Projekte ein persönlicher Favorit – oder steht XENOS im Mittelpunkt, weil es der Ursprungspunkt ist?
XENOS A.D. ist unsere Band und wir widmen uns ihr zu 100%.
Fühlt ihr euch mit der italienischen Metal-Szene verbunden? Von außen betrachtet wird Italien oft mit Power Metal, traditionellem Heavy Metal und Doom assoziiert. Wie seht ihr euren Platz in dieser Landschaft – oder fühlt ihr euch eher einer “musikübergreifenden” Mentalität zugehörig?
Die italienische Szene ist sehr gut, auch wenn ich die Bands, die sie im Ausland repräsentieren, überhaupt nicht mag. Ich hasse epischen Power Metal und solche Sachen und ich mag Lacuna Coil nicht.
Thrash Metal scheint heute weniger dominant zu sein, während Death Metal und moderne Subgenres stärker werden. Und doch geht ihr euren Weg weiter. Seid ihr versucht, mehr Death-Metal-Einflüsse zu erkunden – oder XENOS A.D. in andere klangliche Gefilde auszuweiten?
Death Metal ist ein großartiges Genre, solange wir von Death Metal der 90er sprechen. Es gibt einen minimalen Death-Metal-Einfluss in unserer Musik und wahrscheinlich wird dieser in Zukunft noch größer werden.
Es wäre kein vollständiges Interview, wenn wir nicht nach euren musikalischen Einflüssen fragen würden. Persönlich und als Band – wo hat alles angefangen? Wer sind eure Metal-Idole?
Meine Vorlieben… Slayer und Kreator an erster Stelle, dann Megadeth, Sodom, Exodus, Coroner, Celtic Frost, Destruction und Venom.
Tracks wie Welcome the Destroyer, Crown of Separation und The Bleeding Hands of Faith sind für uns Highlights von Requiem for the Oppressor. Was sind eure persönlichen Favoriten auf dem Album? Und welcher Song wird eurer Meinung nach ein fixer Bestandteil der Liveshows?
Ich weiß nicht… ich könnte „Dogma of War“ sagen, aber in fünf Minuten könnte ich meine Meinung ändern und „Tears on the Face of God“ wählen… Bisher haben wir „Dogma of War“ auf der Bühne gespielt und es hat sehr gut funktioniert. In Zukunft könnten wir „The Bleeding Hands of Faith“ und „Tears on the Face of God“ hinzufügen.
Eure Musik funktioniert unglaublich gut auf der Bühne. Was waren bisher eure intensivsten Live-Erfahrungen? Und – gibt es Pläne, in Wien oder an einem anderen Ort in Österreich zu spielen?
Ich erinnere mich mit großer Freude an unseren Auftritt in Holland beim Into the Grave oder in Deutschland beim Wacken… In Österreich haben wir 2022 beim Area 53 Fest gespielt und ich hoffe sehr, bald wieder dorthin zurückzukehren.
Je mehr Menschen eure Musik hören, desto höher werden die Erwartungen. Wie geht ihr damit um? Bleibt der Druck draußen – oder schleicht er sich manchmal in euren kreativen Prozess ein?
Immer draußen, ich spiele hauptsächlich für mich selbst. Glaubt nicht denen, die sagen, sie spielen für andere, das ist Bullshit.
Zum Abschluss dieses Interviews: die letzten Worte gehören euch. Gibt es etwas, das ihr hinzufügen möchtet – eine Botschaft an eure Hörer, ein Gedanke zum Album oder etwas, das ihr einfach mitteilen möchtet?
Ich hoffe, die Leute schätzen „Reqviem for the Oppressor“ wirklich und erkennen, dass sie einer der besten Thrash-Metal-Bands der letzten Jahre zugehört haben.