EU TOUR 2025:
AMENRA, GALLOWHEAD,
30.04.2025 – Arena Wien
Arena Wien war Gastgeber eines besonderen Abends, der ein Konzerterlebnis von seltener Intensität bot. Beide Bands auf dem Programm – GALLOWHEAD und die Headliner AMENRA – spielten mit Klang und Licht, um ein unvergessliches Erlebnis zu erschaffen.
GALLOWHEAD
Der Abend begann mit einem seeehr langsamen Rhythmus und gequältem Gesang. Allmählich durchdrang ein Doom-getränktes Klangbild den Raum und tauchte die Arena in eine entsprechend düstere Atmosphäre.
Dem Publikum war die Band – obwohl sie aus Österreich stammt – kaum bekannt. Doch sie eroberten die Zuhörer schnell. Präzise gespielte, solide Riffs, tief gestimmte Gitarren und Basslinien sowie das treibende Schlagzeugspiel sorgten für einen durchdringenden Sound.
GALLOWHEAD stammt aus Feldkirch, der westlichsten Stadt Österreichs. Ihr Stil vereint Elemente aus Sludge, Doom und Hardcore: wummernde Bässe, groovende Rhythmen, verzerrte Gitarren, eine Mischung aus Shouts und Growls.
Live trat das Trio in folgender Besetzung auf: S – Gitarre, Gesang, Samples; F – Bass; D – Schlagzeug. Ihre Diskografie umfasst drei Studioalben: s/t (2021), Karōshi (2023) und Comfort in Discomfort (2024). Definitiv Werke, die eine Hörprobe (oder mehrere) wert sind.
Der Klang war fast psychedelisch, durchsetzt mit infernalischem Geschrei. Laut, sehr laut – doch gerade dadurch wurde die Wirkung der brummenden Gitarren und Bässe verstärkt. Die aggressive Verzerrung wurde so greifbar, fast körperlich spürbar.
Die Bassgitarre war allgegenwärtig. Bereits im zweiten Song setzte sie ein markantes Intro. Der tief gestimmte, extrem verzerrte Bass prägte den Sound jedes einzelnen Songs. Auch das Schlagzeug verdient besondere Erwähnung: wild, aggressiv, oft im höheren Tempo als die anderen Instrumente – eine perfekte Ergänzung zum Gesamtbild.
GALLOWHEAD beeindruckten. Sie schafften es, mit durchdachter und gekonnt gespielter Musik eine Atmosphäre im Raum zu erzeugen. Ihre Mischung aus Genres und der Fokus auf Stimmungen machten sie zum idealen Auftakt für den weiteren Abend.
Ihr Set war kurz, aber eindrucksvoll – eine gelungene Überraschung für das Publikum, egal ob man die Band vorher kannte oder nicht. Die Zuschauer zeigten sich sichtlich begeistert, und die Band freute sich sichtlich über den warmen Empfang und die starken Ovationen.
AMENRA
Die Erwartungen waren hoch – AMENRA sind längst Stars ihres Genres. Doom, Sludge, Hardcore oder einfach: Post-Metal – AMENRA erschaffen Klangwelten, die einzigartig sind. Ihre Diskografie ist ebenso eindrucksvoll wie ihre Bühnenpräsenz.
Das Konzert begann mit „Salve Mater“, einem neuen Stück vom aktuellen EP With Fang and Claw. Diese EP erschien Ende März zeitgleich mit dem Schwesterwerk De Toorn. Gemeinsam bilden sie ein Konzeptwerk – ein Blick zurück auf die Wurzeln der Band, aber auch ein Schritt in ihre Zukunft.
Gitarrist Mathieu Vandekerckhove sagt dazu:
„Mit De Toorn führen wir den Geist von De Doorn weiter – eine Reise tiefer in die rohen Emotionen von Trauer, Zorn und Transformation. Es ist eine Fortsetzung des Rituals, ein weiterer Schritt ins Feuer. With Fang And Claw hingegen kehrt zurück zu den Ursprüngen von Mass I: Prayer I – VI und greift die rohe Kraft unserer Anfänge auf.“
Und live? Ein intensiver Beginn. Die Show ist in Schwarz-Weiß gehalten – in Musik und Licht. Beim ersten Song steht Sänger Colin mit dem Rücken zum Publikum, was er während des Konzerts meist beibehält. Kein Zeichen von Desinteresse – im Gegenteil: Diese Inszenierung verstärkt die dramatische Wirkung.
Bei AMENRA zählt jedes Detail. Und gleichzeitig wird man vollkommen absorbiert – Klang, Licht, Bewegung verschmelzen zu einem einzigen, allumfassenden Erlebnis.
Mit „Razoreater“ erreicht die Stimmung im Publikum einen ersten Höhepunkt. Die Reaktionen zeigen, wie sehr dieser Song (und das gesamte Album Mass IIII) geschätzt wird. Und die Schreie von Colin – so voller Leidenschaft – machen deutlich: Er lebt jeden Moment der Show mit einer Intensität, die kaum in Worte zu fassen ist. Das muss man erleben.
Gegründet wurde AMENRA 1999 in Kortrijk, Westflandern, von zwei Hardcore-Musikern auf der Suche nach „mehr Seele“. Und die fanden sie. Einer von ihnen ist der bis heute zentrale Kopf der Band: Colin H. van Eeckhout – Sänger und Seele von AMENRA. Kurz nach der Gründung stießen Mathieu J. Vandekerckhove (Gitarre) und Bjorn J. Lebon (Schlagzeug) dazu. Später folgten Lennart Bossu (Gitarre, seit 2008) und als jüngstes Mitglied Amy Tung Barrysmith am Bass.
Jeder kennt den Ruf von AMENRA als Liveband. Und dieser Ruf ist absolut gerechtfertigt. Vergesst alles, was ihr von ihren Alben kennt – live ist es eine ganz andere, viel tiefere Dimension.
„Plus près de toi (Closer to You)“ vom Album Mass VI ist bereits auf Platte emotional. Live, mit klarem Gesang, entfaltet der Song eine noch größere Tiefe. Die gequälten Schreie ergänzen das Ganze um eine gewaltige emotionale Wucht.
Die Bühnenausstattung? Minimalistisch. Keine Effekte, nichts Ablenkendes. Kein einziger Farbtupfer, nur weißes Licht. Der Saal ist voll, das Publikum erlebt das Konzert wie ein einziger Körper – mit Ovationen zwischen den Songs, Applaus, Bewegung, kollektives Headbangen in den intensiveren Passagen.
„A Solitary Reign“ wird ebenfalls frenetisch begrüßt. Die gesprochenen Passagen sind eindringlich und verstärken die emotionale Tiefe.
Das Ganze ist mehr als ein Konzert. Es ist eher wie ein Film, eine Museumsinstallation – oder besser: wie ein Tempel, in dem alle in eine neue Dimension eintauchen. Eine spirituelle Erfahrung.
Die Spannung wird durch Crescendi in den Songs ständig aufrechterhalten. Colins Gesang reicht von melancholisch klar bis zu schmerzerfüllt schreiend – seine Leidenschaft wirkt ansteckend. Wenn Mathieu in seltenen Momenten Background-Vocals beisteuert, verstärkt das die Stimmung noch weiter – eine andere stimmliche Farbe, aber genauso eindrucksvoll.
Beim Start von „Aorte. nous sommes du même sang“ erreicht die Atmosphäre einen weiteren Höhepunkt. Die Intensität bleibt, das Publikum ist voll dabei.
Eine besondere Erwähnung verdient Amy Tung Barrysmith. Erst seit zwei Monaten in der Band, scheint sie bereits vollkommen integriert – musikalisch und auf der Bühne. Als Bassistin und mit ihren Background-Vocals eine echte Bereicherung.
Der letzte Song des Abends, „Ritual“, beginnt akustisch – ein weiterer Gänsehautmoment. Colin liegt dabei am Boden der Bühne. Verstörend. Berührend.
Es gibt nur wenige Bands, die mit solch einfachen Mitteln derart intensive Emotionen hervorrufen. Man wird vollkommen hineingezogen. Alle Sinne reduzieren sich auf Hören und Sehen.
Colin ist unglaublich ausdrucksstark – seine Schreie wirken wie offene Wunden. Wer das live erlebt, wird es so schnell nicht vergessen. Kaum eine andere Band dringt so tief unter die Haut und hinterlässt einen so bleibenden Eindruck.
Setlist
01. Salve Mater
02. Razoreater
03. Plus près de toi (Closer to You)
04. A Solitary Reign
05. De evenmens
06. Forlorn
07. .Terziele.tottedood
08. Am Kreuz
09. Aorte. nous sommes du même sang
10. Ritual