EUROPE/UNITED KINGDOM 2025
ORBIT CULTURE, GAEREA, ATLAS
28.10.2025, SiMM City Wien – Live Review
Und wieder ein ausverkauftes Konzert für die Metalfans in Wien – diesmal eher für das jüngere Publikum, aber nicht nur. Ein Abend mit einem deutlich moderneren Einschlag: Metalcore, Post-Black Metal und moderner Melodic Death Metal. Doch mit drei Bands, die allesamt für ihre energiegeladene Live-Präsenz bekannt sind, war das Versprechen eines kraftvollen Abends klar gegeben.
ATLAS
Aus dem hohen Norden Finnlands kamen ATLAS als erste Band des Abends auf die Bühne – und sie starteten stark. Mit druckvollen Riffs, einem präzisen Rhythmus und einer Soundwand, die sofort mitriss. Ihr Sound ist moderner Metal, nicht wirklich Metalcore, eher dissonant und weniger melodisch, aber mit durchgehend starken Riffs und viel Energie. Der Opener „Taivaanranta“ legte mit wuchtigen Akkorden und einem Wechsel aus Shouts und Growls die Basis für einen intensiven Einstieg. Die Bühnenpräsenz war sympathisch und kommunikativ, und das Publikum – das „Ausverkauft“-Schild hatte schon früh gegolten – ging sofort mit.

Ihre neue Single „Salt and Sulfur“ zeigte eine klare Weiterentwicklung im Sound der Band: wieder harte Riffs, doch in den Strophen deutlich metalcore-lastiger. Ein neuer Song vom kommenden Album fiel besonders auf – langsam, emotional, mit typischen Breaks, plötzlichen Ausbrüchen und einer spürbaren Wut, die von den teils unmelodischen Elementen noch verstärkt wurde. Bei einer kurzen Recherche fällt auf: Sie sind weder Metalcore noch Deathcore, sondern bezeichnen ihren Stil als Northcore – ein von ihnen selbst geschaffenes Genre. Schön. Pioniere also.
Auch der Rest des Sets blieb intensiv und leidenschaftlich: viele Clean-Vocals, an denen fast alle Bandmitglieder beteiligt waren, im Wechsel mit typischen Growls. Der Frontmann war präsent, leidenschaftlich und mitreißend. Der Bass – fast schon Djent-ähnlich – trug den Songs genau jene Dynamik, die sie auszeichnet. Besonders hervorzuheben war der Beitrag der Backing Vocals, die jedem Song eine eigene Note gaben. Zahlreiche Tempowechsel und wechselnde Stimmungen sorgten dafür, dass keine Sekunde Langeweile aufkam.
Ein sehr starkes Auftaktset – ATLAS gelang es, das Publikum sofort auf Betriebstemperatur zu bringen. Der Sänger war ein wahrer Entertainer, ließ keine Ausreden gelten – und die Menge folgte. Sogar ein Moshpit bildete sich. Eine kurze, aber eindrucksvolle Performance.
GAEREA

In diesem sehr modernen Metal-Line-up wirkten GAEREA auf den ersten Blick etwas deplatziert – doch mit der neuen musikalischen Richtung, die sie zuletzt eingeschlagen haben, passten sie vielleicht doch hinein. Bei ihrem letzten Wien-Auftritt, über ein Jahr her, damals ebenfalls als Opener, lieferten sie eine beeindruckende Show. Ihre Musik – düster, dramatisch, melancholisch, mit schneidendem und verstörendem Black-Metal-Einschlag – erhielt live stets eine zusätzliche Dimension. Die anonymen Mitglieder, unter schwarzen Kapuzen mit esoterisch anmutenden Symbolen verborgen, ganz in Schwarz gekleidet und in dramatisches Licht getaucht – das alles blieb erhalten.
Nur die Musik nicht. Die Vocals sind völlig anders als beim letzten Mal – und allein daran ist die neue Richtung der Band sofort hörbar. Die beiden neuen Singles „Hellbound“ und „Submerged“, mit denen sie das Set eröffneten, klingen überraschend melodisch, aber sie haben den hypermelancholischen, verstörenden Charakter der früheren GAEREA völlig verloren. Frontman und Vocalist der Band sowie einer der anonymen Gründungsmitglieder – hatte uns vor einigen Jahren in einem Interview gesagt, dass sie nicht mehr dieselbe Band seien. Und jetzt ist es unübersehbar. Nach den ersten beiden Songs bleibt ein gewisses Bedauern: Sie haben ihre Einzigartigkeit verloren. Und ja – in diesem Line-up passen sie nun wirklich hinein.
Trotzdem wirkten sie mit dieser neuen Richtung deutlich selbstbewusster. Der Sänger war auch kommunikativer als früher, und das Publikum nahm den Auftritt gut an. Doch als „Hope Shatters“ erklang, veränderte sich die Stimmung merklich – auch dieser Song, einst einer der stärksten, hat an Tiefe verloren. Und die neuen Vocals (vielleicht tatsächlich ein neuer Sänger? – bei dieser geheimnisvollen Band weiß man nie) haben nichts mehr von der alten Zerrissenheit und Authentizität. Die Gesten sind geblieben, doch Gesten kann man imitieren.
„World Ablaze“ erinnerte kurz an bessere Tage – ein feines, aber auch bedrohliches Gitarrensolo weckte die alte Magie. Die älteren Songs besitzen noch etwas Besonderes, etwas, das die neuen völlig vermissen lassen. Wenn man sie jedoch unvoreingenommen zum ersten Mal hört, ist es ein solider Auftritt – aber nichts, das im Gedächtnis bleibt. Ein Opener. Wir erwarteten eine Black-Metal-Band – und bekamen eine Modern-Metal-Band. Meine Enttäuschung lässt sich nicht verbergen.
„Wilted Flower“, einer ihrer emotionalsten, aber auch nicht spannendsten Songs, senkte die Stimmung im Saal merklich. Erst mit „Laude“ kam wieder etwas Bewegung auf. Ältere Songs – besonders jene von den ersten beiden Alben – scheinen aus ihrem Liveset endgültig gestrichen zu sein. Schade, denn dort finden sich wahre Perlen. Stilistisch bewegen sie sich mittlerweile klar im Post-Metal- und Metalcore-Bereich – das Wort „Black“ kann man wohl streichen. Sie haben den Sprung aus dem Underground geschafft, aber zu einem hohen Preis: Es fühlt sich an, als hätten sie ihre Seele, ihre Inspiration, ihre Authentizität verloren. Wer nach dem alten GAEREA sucht – sie sind verschwunden. Und es scheint endgültig.
Setlist
01. Hellbound
02. Submerged
03. Hope Shatters
04. World Ablaze
05. Unknown
06. Wilted Flower
07. Laude
ORBIT CULTURE
Das Publikum war nun bestens aufgeheizt, bereit für die Headliner des Abends: ORBIT CULTURE. Eine der wichtigsten Bands der modernen Metal-Szene, die es geschafft hat, den Geist des Göteborg-Melodic-Death zu bewahren und ihn gleichzeitig in die Gegenwart zu führen. Eine Band, die in den letzten Jahren einen beeindruckenden Weg gegangen ist – von einem vielversprechenden Newcomer zu einem etablierten Namen in der Szene.

Schon bevor sie die Bühne betraten, brach Jubel aus. Die Menge war ekstatisch, rief, schrie, feierte. Und als die ersten Töne erklangen – ja, das war der Moment. Dynamisch, druckvoll, energiegeladen von der ersten Sekunde an. Sie eröffneten ihr Set mit Songs vom neuen Album, das erst vor wenigen Wochen erschienen war, aber schon auswendig mitgesungen wurde: „Death Above Life“, der Titeltrack, „The Storm“ oder „The Tales of War“ – alles starke Songs, eingängig, aber mit echtem Metal-Charakter. Eine großartige Show, mit stimmigem Lichtdesign, spannungsvollem Aufbau und beeindruckenden Vocals.
Alle Songs funktionierten live hervorragend. Das starke Rhythmusfundament, die modernen Akzente, die cleanen, fast sanften Backing Vocals – all das ergab einen kraftvollen Gesamtsound. Trotz dominanter Drums und wuchtiger Riffs glänzten auch die Solos. Jeder Musiker trug enorm zum Gesamteindruck bei, technisch stark, leidenschaftlich und präzise. „North Star of Nija“, einer ihrer beliebtesten Songs, war ein weiterer Höhepunkt des Abends.
Niklas Karlsson – Gründungsmitglied, Songwriter, Herz und Seele der Band – stand im Zentrum, mit seinem markanten Rhythmusgitarrenspiel und einer beeindruckenden Kombination aus Growls und Clean Vocals. Der Sound war professionell, druckvoll, perfekt abgestimmt. Mitreißende Refrains, starke Grooves, dazu ein modernes Lichtkonzept – das Publikum sang mit, bangte, moschte, surfte. Und auch die Band selbst schien jeden Moment zu genießen, gab alles auf der Bühne.
ORBIT CULTURE erfinden sich nicht mit jedem Album neu – sie wissen genau, wer sie sind und was sie tun. Und sie tun es hervorragend. Ihre Fans feiern sie dafür, und zu Recht. Eine noch hellere Zukunft liegt vor ihnen, und sie verdienen sie. Eine beeindruckende Band, deren Live-Sound noch kraftvoller wirkt als auf Platte. Nach einem ohnehin begeisternden Set schlossen sie mit ihrer wohl beliebtesten Hymne „Vultures of North“.
Ein Konzert für eine neue Generation – neue Musiker, neues Publikum, neue Energie. Und ORBIT CULTURE lieferten den perfekten Abschluss eines modernen, intensiven Metalabends.

Setlist
01. Death Above Life
02. The Storm
03. The Tales of War
04. North Star of Nija
05. I, the Wolf
06. From the Inside
07. The Shadowing
08. Bloodhound
09. Nerve
10. While We Serve
11. Hydra
12. Vultures of North

