Mit »Hesperia« meldet sich die französische Black-Metal-Band MORTE FRANCE eindrucksvoll zurück. Nach mehreren Jahren der Stille legt das Trio ein Werk vor, das sowohl in seiner musikalischen Strenge als auch in seiner atmosphärischen Dichte überzeugt. Kval (Gesang, Lyrik, Gitarre), Taur (Bass) und Ghmur (Schlagzeug) haben ein Album geschaffen, das klassische Elemente des Black Metal aufgreift, sie jedoch mit einer eigenständigen, fast schon filmischen Melancholie versieht.
Liebe zum Detail
Der Opener »Waldganger« legt gleich die Messlatte hoch. Ein wogendes Riffgeflecht aus verzerrten Gitarren, treibendem Schlagzeug und Kvals krächzendem Gesang vermittelt die dunkle, beinahe naturreligiöse Stimmung, für die die Band bekannt ist. Hier spürt man die Liebe zum Detail: Zwischen den harschen Passagen blitzen melancholische Melodien auf, die dem Stück eine annähernd meditative Ruhe geben. Es ist ein Einstieg, der die Hörer sofort in die Welt von MORTE FRANCE zieht.
Mit »Europa Aeterna« wendet sich das Album thematisch stärker historischen und kulturellen Referenzen zu. Das Stück klingt, als würde es durch die nebelverhangenen Landschaften des alten Europas führen. Taurs Basslinien geben der Komposition eine ungeahnte Tiefe, während Ghmurs Schlagzeugspiel die Dramatik unterstreicht. Der Song entwickelt sich langsam, schier episch, und zeigt, dass MORTE FRANCE nicht nur auf Aggression setzt, sondern daneben auf Atmosphäre und Erzählkraft.
Klassischer Black-Metal-Elemente mit progressiven Momenten
»Le chevalier, La Mort Et Le Diable« ist ein Highlight des Albums. Die approximativ epische Länge erlaubt es der Band, klassische Black-Metal-Elemente mit progressiven Momenten zu verbinden. Kval variiert zwischen verzweifeltem Kreischen und ruhigen Passagen, die angenähert hymnisch wirken. Das Zusammenspiel von Gitarre, Bass und Schlagzeug wirkt hier speziell durchdacht, und die Komposition trägt deutlich die Handschrift der Band: düster, anspruchsvoll, kunstvoll.
Der Titeltrack »Hesperia« ist der emotionale Kern des Albums. Mit einem klaren, treibenden Rhythmus und einer intensiven melodischen Linie zeigt sich die Band von einer verletzlichen Seite. Das Stück könnte als musikalische Reise durch die dunklen Schatten des Mittelmeers verstanden werden. Es ist komplex, ohne je überladen zu wirken, und beweist, dass MORTE FRANCE in der Lage ist, mit minimalem Instrumentarium maximale Wirkung zu erzielen.
»Lux Meae« verleiht dem Album eine annäherungsweise sakrale Dimension. Kyrie-Gesänge mischen sich mit kalten Gitarrenlinien, die das Gefühl von Endzeit und Vergänglichkeit verstärken. Kvals Gesang wechselt zwischen sanftem Flüstern und markerschütterndem Schrei, und die Rhythmussektion liefert einen konstanten, pulssynchronen Unterbau. Das Stück wirkt wie eine musikalische Meditation über Licht und Dunkelheit, Leben und Tod.
»Kyrie Eleison« setzt den spirituellen Ton fort, bleibt im Gegensatz hierzu dichter und aggressiver. Es ist ein Stück, das sowohl den Black-Metal-Puristen anspricht als desgleichen Hörer erreicht, die komplexere Strukturen und orchestrale Elemente schätzen. Die Interaktion zwischen den Instrumenten ist hier besonders bemerkenswert: Jeder Ton scheint genau platziert, nichts wirkt zufällig.
Abschließend rundet »Fernweh« das Album in melancholischer Schönheit ab. Das Stück entfaltet sich langsam und trägt die Zuhörer auf einem wellenartigen Fluss von Gitarrenklängen, Bass und Schlagzeug. Es ist ein Moment der Ruhe nach intensiven 40 Minuten voller karger Schönheit, melancholischer Reflexion und roher Energie.
Mehr als reinrassiger Black-Metal
Insgesamt zeigt »Hesperia«, dass MORTE FRANCE mehr als ein reiner Black-Metal-Act ist. Die Band schafft es, ihre Wurzeln zu bewahren, gleichzeitig aber in atmosphärischer Breite und erzählerischer Tiefe zu wachsen. Die Produktion ist klar und druckvoll, lässt im Kontrast hierzu genügend Raum für die dunklen Nuancen der Musik. Kval, Taur und Ghmur demonstrieren, dass Präzision und Leidenschaft Hand in Hand gehen können.
Das Album verdient seine 4 von 5 Punkten. Es ist kein Werk, das den Hörer sofort erschlägt, sondern eines, das sich nach und nach entfaltet und eine nachhaltige Wirkung hinterlässt. Für Fans des Genres bietet es reichlich Substanz, für Neulinge einen faszinierenden Einstieg in die dunkle, hingegen kunstvolle Welt von MORTE FRANCE.
Durch »Hesperia« setzen MORTE FRANCE ein starkes Zeichen: Black-Metal muss nicht stumpf oder monoton sein, um seine Wirkung zu entfalten. Atmosphärische Tiefe, emotionale Nuancen und handwerkliche Präzision machen dieses Album zu einem Erlebnis, das lange nachklingt.
Fazit: Mit »Hesperia« liefern MORTE FRANCE ein beeindruckendes Werk ab, das die Grenzen zwischen traditionellen Black-Metal-Werten und atmosphärischer Tiefe verschwimmen lässt.
Tracklist
01. Waldganger
02. Europa Aeterna
03. Le chevalier, La Mort Et Le Diable
04. Hesperia
05. Lux Meae
06. Kyrie Eleison
07. Fernweh
Besetzung
Kval – Vocals, Lyrics, Guitars
Taur – Bass
Ghmur – Drums

