EVENFALL // EUROPE 2025
OBSCURA, HIDEOUS DIVINITY, SADIST
02.10.2025, Viper Room Wien
Death Metal. Und zwar der sehr technische. Genau das erwartete das Publikum an diesem Abend im Viper Room: drei Bands, alle im technischen Spektrum des Death Metal unterwegs – mal mit progressiven Akzenten, mal brutal, mal melodisch. Ein Abend voller Dynamik und Energie.
SADIST
Den Auftakt machten die italienischen Progressive-Death-Metal-Meister SADIST – ein Name, der seit über 30 Jahren für qualitativ hochwertige Musik steht.
Der Start wurde leider von kleinen technischen Problemen begleitet, doch diese waren schnell behoben, und dann brach der sonore Angriff los. Der erste bleibende Eindruck kam von Tommy Talamanca – Gitarrist und Keyboarder zugleich. Beides gleichzeitig, live und unter den hohen Anforderungen eines Konzerts zu spielen, ist bereits für sich genommen eine Herausforderung. Wenn das Ganze dann auch noch im Kontext von progressivem Death Metal passiert, einer komplexen und verschachtelten Stilrichtung, wird es schlicht beeindruckend. Eine Hand auf den Tasten, die andere am Gitarrenhals – präzise, punktgenau, perfekt im Timing. Absolut beeindruckend.
SADIST aus Genua wurden 1991 gegründet, ein Projekt von eben jenem Tommy Talamanca, der nicht nur Gitarrist und Keyboarder, sondern auch Songwriter und Herz der Band ist. An seiner Seite die unverwechselbare Stimme von Trevor Nadir. An diesem Abend komplettierten die langjährigen, aber nicht offiziellen Mitglieder Davide Piccolo (Bass) und Giorgio Piva (Drums) das Line-up. Allesamt hochgradig technisch versiert und professionell.
Die Mischung aus dynamischen Momenten und atmosphärischen Akzenten wirkt live noch stärker. Die Vocals von Trevor – tiefes Growlen, das einen Kontrast zur Musik setzt – passten hervorragend. Die Instrumente gaben jedoch den Ton an: ein virtuoser Bassist und ein präziser Drummer, die sich nahtlos einfügten.
Zunächst stellte die Band Songs vom aktuellen Album Something to Pierce (2025) vor, danach folgte ein kompakter Querschnitt durch ihre Karriere. Mit „Escogido“ nahm die Stimmung im Publikum deutlich Fahrt auf. „India“ vom Album Tribe (1995) entfaltete live enorme Wirkung, wurde mit Begeisterung und Headbanging aufgenommen.
Die Setlist setzte auf die aggressiveren Stücke, nicht auf die melodischen. Trotz aller Tempowechsel blieb die Musik anspruchsvoll und doch packend – und das Publikum war begeistert. „Sometimes They Come Back“ vom Debütalbum brachte eine andere Klangfarbe, und das Finale „Tribe“ bildete den krönenden Abschluss. Ein technisch extrem fordernder Song, aber live hervorragend umgesetzt. Der bleibende Eindruck: Tommys Leidenschaft. Man spürte, dass er Musik lebt. Ein starker Start in den Abend.
Setlist
01. Respirium
02. Something to Pierce
03. Accabadora
04. Escogido
05. India
06. Sometimes They Come Back
07. Tearing Away
08. Tribe
HIDEOUS DIVINITY
Mit HIDEOUS DIVINITY erreichte die technische Perfektion des Abends ein neues Niveau. Das italienische Quartett präsentierte eine Mischung aus Technical Death Metal mit brutalen Einschlägen – eine neue Dimension an Raffinesse, ein anderes Klangbild als bei SADIST, straffer, anders dynamisch, aber ebenfalls von höchster spielerischer Klasse.
Auch hier gab es reichlich Momente für Headbanging, und das Publikum reagierte sofort. Der Frontmann steckte mit seiner Energie an, sowohl technisch als auch in seiner Bühnenpräsenz.
Die 2007 in Rom gegründete Band hat sich einen exzellenten Ruf erarbeitet. Gründungsmitglied Enrico Schettino (Gitarre) ist in diversen Projekten aktiv, während Enrico „H.“ Di Lorenzo als Frontmann eine gewaltige Bühnenpräsenz zeigt. Drummer Edoardo Di Santo brillierte mit Präzision und Tempo. Für diese Tour übernahm Gabriele Vellucci den Bass – dynamisch, präsent und klanglich dominant.
„Angel of Revolution“ vom dritten Album war ein Highlight: dominanter Bass, infernale Drums, ein komplexes Solo und eindrucksvolle Vocals. „Messianica“ (Adveniens, 2017) steigerte das Tempo ins Maximum – explosiv, intensiv, schlicht überwältigend.
Auch der Livesound überzeugte auf ganzer Linie – der beste des Abends. Alles klang klar, druckvoll und extrem dynamisch. „Mysterium Tremendum“ vom aktuellen Album funktionierte live ebenso hervorragend. Das gesamte Set war energiegeladen, technisch brillant und fesselnd.
Zum Ende hin sorgte „Cobra Verde“ für einen weiteren Höhepunkt. Wie ein stilles Gebet klang das Ende – doch plötzlich brach die Hölle erneut los. Aggressiv, infernal, technisch makellos. Jeder der vier Musiker brillierte, und das Zusammenspiel wirkte perfekt abgestimmt. Ein imposanter, kraftvoller Auftritt.
OBSCURA
Vor dem Headliner stellte sich wohl mancher die Frage: Wie präsentiert sich OBSCURA nach den Turbulenzen des Jahres? Ein fast komplett neues Line-up um Steffen Kummerer, kaum nachzuvollziehen, wer nun zur Band gehört und wer nicht. Musikalisch bewegt sich die Band inzwischen in eine melodischere, weniger technische Richtung. Dennoch bleiben sie ein wichtiger Name, und ihre älteren Werke sind nach wie vor relevant. In unserem kürzlich geführten Interview mit Steffen wurde deutlich, wie er den kreativen Ansatz der Band versteht.
Doch wie funktioniert diese neue Inkarnation live? Der neue Bassist Robin Zielhorst griff zum fünfsaitigen Fretless – ein erstes Signal, aber zugleich eine Beruhigung für die Fans. Der Viper Room war allerdings nur halb gefüllt, was überraschte. Die Anwesenden zeigten sich dafür umso enthusiastischer.
Der Start mit „Forsaken“ (A Valediction, 2021) war kraftvoll, dynamisch und melodisch. Der Bass glänzte sofort, technisch brillant und klanglich überzeugend. Doch der Gesamtsound litt: zu matschig, das Schlagzeug viel zu laut und ohne Nuancen, während Gitarre und Vocals untergingen. Im direkten Vergleich hatten SADIST und HIDEOUS DIVINITY den deutlich besseren Livesound.
Die Stimmung auf der Bühne war hingegen gelöst – letzter Abend der Tour, Steffen gut gelaunt, lachend, entspannt. Es folgten zwei Stücke vom letzten Album, darunter das umstrittene „Silver Linings“. Sehr melodisch, im Schlepptempo, fast ohne Spur von Technical Death Metal.
Neben Steffen als Gitarrist und Sänger stand Robin Zielhorst souverän am Bass. Mit ihm reiht sich ein weiterer exzellenter Bassist in die Bandgeschichte ein, und er hielt das Niveau hoch. Unterstützt wurde Steffen von Vince Wilquin (Fractal Universe) an der Gitarre – stets in Bewegung, lachend, aber im Mix kaum zu hören. Am Schlagzeug saß Clément Denys, ebenfalls Fractal Universe, technisch solide, aber viel zu laut abgemischt.
Mit „Emergent Evolution“ kam endlich etwas technischer Death Metal auf. Doch ohne zweite Gitarrenstimme wirkte das Ergebnis wie eine vereinfachte Version. Steffen musste Rhythmus und Solos alleine stemmen – bei der Komplexität älterer OBSCURA-Songs fast unmöglich.
Wieder folgten neue Stücke, melodisch und weich. „Devoured Usurper“ wurde fast zum Stillstand gespielt – der Drummer jonglierte mit Sticks, was eher traurig wirkte. Ein schnellerer Part brachte immerhin den ersten Moshpit des Abends, der bis zum Ende anhielt. „Akróasis“ (2016) wurde frenetisch aufgenommen – ein Beweis, dass die alten Songs mehr Energie entfalten.
Insgesamt stammten 7 von 11 Songs aus den letzten beiden Alben – ein Schlag ins Gesicht der älteren Fans. Es verdeutlichte den stilistischen Wandel, die Grenze zu Thulcandra verschwimmt zunehmend. Und bemerkenswert: Thulcandra Konzert in Wien dieses Jahr war härter und klanglich besser als dieser OBSCURA-Auftritt.
Das Finale brachte „The Anticosmic Overload“ – und hier wurde der Unterschied spürbar. Ein dichter, komplexer Sound, technisch anspruchsvoll und von Bass, Drums und Steffen auf höchstem Niveau umgesetzt. Ein Highlight. „When Stars Collide“ folgte, und mit „Septuagint“ endete der Abend in einem kraftvollen Encore – ein Meilenstein und würdiger Schlusspunkt.
Doch trotz dieser Momente blieb ein schaler Beigeschmack. Halbvoller Saal, ein unausgeglichener Sound, zu sehr auf neue, melodische Songs fokussiert. OBSCURA bleiben eine bedeutende Band, aber dieser Abend war eine leichte Enttäuschung – zu viele Abstriche, zu wenig Durchschlagskraft. Glücklicherweise hatten die beiden starken Opener den Abend insgesamt zu einem gelungenen Erlebnis gemacht.
Setlist
01. Forsaken
02. Evenfall
03. Silver Linings
04. Emergent Evolution
05. In Solitude
06. Devoured Usurper
07. Akróasis
08. The Sun Eater
09. The Anticosmic Overload
10. When Stars Collide
Encore:
11. Septuagint